Geschäft: Wahl der gesamten Leitung der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer42.11.28
TitelWahl der gesamten Leitung der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat
ArtKR Motion
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung26.9.2011
Abschluss30.11.2011
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
VorstossWortlaut vom 26. September 2011
AntragAntrag der Regierung vom 2. November 2011
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
30.11.2011Eintreten41Zustimmung69Ablehnung10
Statements
DatumTypWortlautSession
30.11.2011Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Diese Motion hat nichts mit Unabhängigkeit zu tun, sondern ist offenkundig ein Angriff auf einen der besten Staatsanwälte der Schweiz, nämlich auf den Ersten Staatsanwalt des Kantons St.Gallen. Die letzten Wahlen ins Kantonsgericht hatten mit Unabhängigkeit und Auswahl des Besten nicht mehr sehr viel zu tun. Da gab es wechselnde Absprachen zwischen den Fraktionen, die mit Unabhängigkeit und Qualität gar nichts mehr zu tun hatten. Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St.Gallen, ist schweizweit einer der geachtetsten Staatsanwälte. Er hat, und das ist für einen Staatsanwalt nicht ganz unbedeutend, nicht nur juristischen, sondern auch ökonomischen Sachverstand. Er ist nicht nur Dr. iur., sondern auch lic.oec. Er ist auch ein geachteter Autor verschiedener Standardwerke im Straf- und Strafprozessrecht. Und ich wage zu sagen, dass wenn die Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartementes im Jahr 1997 tatsächlich einen anderen, besseren und parteipolitisch etwas näheren Kandidaten gehabt hätte, dann hätte sie Thomas Hansjakob wahrscheinlich nicht genommen. Aber dessen Qualitäten waren offensichtlich derart überzeugend, dass sie sich für ihn entschied. Das aktuelle Wahlsystem zugunsten eines ausschliesslich nach parteipolitischen Überlegungen funktionierenden Systems zu verändern, ist unsinnig und verletzt auch das Gewaltentrennungsprinzip.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011
30.11.2011Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Der Kantonsrat hat bekanntlich die Frage der Wahl der gesamten Leitung der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat im Zusammenhang mit dem Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung im vergangenen Jahr diskutiert. In der 1. Lesung vertrat die Mehrheit des Kantonsrates die Auffassung‚ dass die Gesamtleitung der Staatsanwaltschaft, also der Erste Staatsanwalt bzw. die Erste Staatsanwältin sowie die anderen leitenden Staats- und Jugendanwälte bzw. -anwältinnen, vom Kantonsrat gewählt werden sollen. Anschliessend gab es einen Meinungsumschwung, denn in der 2. Lesung wurde die Wahlkompetenz wieder der Regierung zugewiesen. Begründung dafür war, dass ein Wechsel von der Regierung zum Kantonsrat zeitaufwendige verfahrenstechnische Folgen gehabt hätte. Das ist aber weder überzeugend noch sachgerecht, denn wenn ein politischer Wille besteht, gibt es auch einen politischen Weg. Die SVP-Fraktion hat in der Schlussabstimmung der Junisession 2010 - auf dem roten Blatt der Regierung steht irrtümlicherweise 2011 - dem Einführungsgesetz zugestimmt, weil sie aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nicht die gesamte Vorlage in Frage stellen wollte. Nun beantragt die Regierung Nichteintreten auf die Motion mit dem Argument, dass bei der Gesamtleitung der Staatsanwaltschaft nicht in erster Linie parteipolitische Aspekte im Vordergrund stehen sollten. Dieser regierungsrätlichen Aussage kann die SVP-Fraktion durchaus noch zustimmen. Nicht zustimmen kann sie aber der Schlussfolgerung, dass die Regierung die Wahlkompetenz weiterhin bei sich behalten will. Da der Kantonsrat aber auch für die Wahl aller Mitglieder des Kantonsgerichts zuständig ist, bedeutet das, dass er sehr wohl in der Lage ist, die parteipolitischen Aspekte in den Hintergrund treten zu lassen. Er ist sehr wohl in der Lage, bei einer Wahl Fachwissen und andere wichtige Kriterien gebührend zu gewichten, auch bei der Wahl der Gesamtleitung der Staatsanwaltschaft.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011
30.11.2011Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Regierung beantragt Nichteintreten.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011
30.11.2011Wortmeldung

Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Die Wahl der Staatsanwaltschaft wurde seinerzeit auch in der Rechtspflegekommission diskutiert. Ich äussere mich jetzt aber nicht in der Funktion des Präsidenten dieser Kommission. Aber auch ich möchte an die Gesamterneuerungswahlen der kantonalen Gerichte im Frühjahr 2011 erinnern. Dort wurde aus Unzufriedenheit über den Ausgang der Wahlen bei den Kantonsrichtern bei der anschliessenden Wahl in die Verwaltungsrekurskommission eine eigentliche «Straf- oder Streichungsexpedition» durchgeführt, mit der Folge, dass verschiedene, verdiente Richterinnen und Richter grundlos und ohne Begründung abgewählt wurden. Vor diesem Hintergrund habe ich erhebliche Zweifel, ob mit der jetzt vorliegenden Motion die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft wirklich gestärkt wird. Ich bezweifle, ob tatsächlich die Unabhängigkeit das eigentliche Ziel der Motion ist, oder ob nicht eher die Staatsanwaltschaft diszipliniert werden soll. Und das lehne ich klar ab.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011
30.11.2011Wortmeldung

(im Namen der CVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Klee-Berneck hat bereits das Wesentliche gesagt. Zu diesem Wahlprozedere fand bereits eine intensive Diskussion statt. Auch die CVP-Fraktion möchte eine unabhängige und nicht politische Wahl, und deshalb soll die Wahlzuständigkeit bei der Regierung bleiben.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011
30.11.2011Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

In der Junisession 2010 stimmte der Kantonsrat in der Schlussabstimmung dem Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendprozessordnung zu. Dieses Gesetz beinhaltete auch die Wahlbehörde der Staatsanwaltschaft. Die Zustimmung zum Wahlprozedere kam nach intensiver Diskussion zustande. Und nun soll das schon wieder geändert werden. Götte-Tübach unterstellt in einem «Tagblatt-»Podium vor den Sommerferien, der Erste Staatsanwalt würde sich dagegen wehren, dass die Politik Einfluss auf die Strategie der Strafverfolgung nehmen wolle. Das ist nach Meinung der FDP-Fraktion gerade nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft bemüht sich sogar sehr, auf gesellschaftspolitische Entwicklungen zu reagieren. Die Motion 42.08.09 «Beschleunigungsgebot im Jugendstrafverfahren» hat die Staatsanwaltschaft bereits umgesetzt. Die Interpellation 51.09.52 «Mehr Sicherheit an Sportveranstaltungen» verlangte die Einführung von Schnellverfahren, die die Staatsanwaltschaft längst eingeführt hat, und zwar als erster Kanton der Schweiz. Die FDP-Fraktion sieht wahrlich keinen Grund, die Wahlbehörde zu wechseln.

Session des Kantonsrates vom 28. bis 30. November 2011