Geschäft: Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer22.09.11
TitelEinführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung
ArtKR Gesetzgebungsgeschäft
ThemaZivilrecht, Strafrecht, Rechtspflege
FederführungSicherheits- und Justizdepartement
Eröffnung5.6.2009
Abschluss3.8.2010
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
BotschaftBotschaft und Entwurf der Regierung vom 20. Oktober 2009
AntragAntrag CVP-Fraktion zu Art. 30 Abs. 2bis vom 22. Februar 2010
AllgemeinInformation des Präsidiums vom 25. März /8. April 2010
ErlassIn der Gesetzessammlung veröffentlicht im Dezember 2010
AntragAntrag SP-Fraktion zu Art. 44bis Abs. 2 vom 22. Februar 2010
ErlassErgebnis der 1. Lesung des Kantonsrates vom 22./23. Februar 2010
AntragAnträge der Redaktionskommission vom 7. Juni 2010
ErlassErgebnis der 2. Lesung des Kantonsrates vom 20. April 2010
MitgliederlisteKommissionsbestellung vom 30. November 2009
AntragAnträge der vorberatenden Kommission vom 13. Januar 2010
AntragAnträge der Regierung vom 19. Januar 2010
MitgliederlisteAktuelle Mitgliederliste
ProtokollProtokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 10. März 2010
AntragAntrag Wild-Neckertal zu Art. 44bis vom 22. Februar 2010
ErlassErgebnis der 1. Lesung des Kantonsrates vom 20. April 2010
ProtokollProtokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 21. Dezember 2009
AntragAnträge der vorberatenden Kommission vom 10. März 2010 für die 1. Lesung
AntragAntrag CVP-Fraktion zu Art. 30 vom 22. Februar 2010
ProtokollProtokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission vom 13. Januar 2010
AntragAntrag Bischofberger/Bereuter/Schrepfer zu Art. 14 Abs. 1 Bst. a vom 19. April 2010
ErlassReferendumsvorlage vom 8. Juni 2010
ProtokollauszugFestlegung des Vollzugsbeginns
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
20.4.2010Antrag der vorberatenden Kommission zu Art. 78bis Abs. 398Zustimmung0Ablehnung22
20.4.2010Antrag der vorberatenden Kommission zu Art. 30103Zustimmung0Ablehnung17
20.4.2010Antrag Bischofberger-Thal / Bereuter-Rorschach / Schrepfer-Sevelen zu Art. 14 Abs. 1 Bst. a58Zustimmung54Ablehnung8
20.4.2010Rückkommensantrag Bischofberger-Thal / Bereuter-Rorschacherberg / Schrepfer-Sevelen59Zustimmung53Ablehnung8
8.6.2010Schlussabstimmung111Zustimmung0Ablehnung9
23.2.2010Art. 44bis Abs. 290Antrag der vorberatenden Kommission22Antrag SP-Fraktion8
23.2.2010Art. 44bis76Antrag der vorberatenden Kommission39Antrag Wild-Neckertal5
22.2.2010Antrag Würth-Rapperswil-Jona, Art. 30 an die vorberatende Kommission zurückzuweisen104Zustimmung3Ablehnung13
22.2.2010Art. 14 Abs. 154Antrag der vorberatenden Kommission49Antrag der Regierung17
Statements
DatumTypWortlautSession
20.4.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Die vorberatende Kommission hat diese Frage der Wahlzuständigkeit für die Erste Staatsanwältin, den Ersten Staatsanwalt und die Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht mehr diskutiert. Wir liessen uns vom Vizepräsidenten der Rechtspflegekommission über den Stand der Diskussion in der Rechtspflegekommission orientieren. Das entsprach in etwa dem, was wir heute vom Präsidenten der Rechtspflegekommission gehört haben. Ob das nun ein sinnvolles Vorgehen ist, war natürlich in der Kommission wiederum umstritten. In der Kommission war aber ebenso unbestritten, dass selbst bei einer Wahl durch den Kantonsrat das Ausschreibungsverfahren möglichst breit sein muss. Ich gebe dies zuhanden der Materialien, die ja dann bei der Auslegung dieser Bestimmung doch wieder eine gewisse Rolle spielen, so zu Protokoll. Wir haben auch davon Kenntnis genommen, dass sich das Präsidium dieser Fragen bereits angenommen hat, da zweifelsohne Anpassungen im Geschäftsreglement des Kantonsrates nötig wären. Die Diskussion ist dann aber durch einen Ordnungsantrag beendet worden, da letztlich das ganze Prozedere beim Vorgehen nicht Gegenstand dieser Vorlage ist.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung, die selbstverständlich nicht mit der Fraktion abgesprochen werden konnte, nachdem ich vor fünf oder zehn Minuten gehört habe, was das Präsidium gestern Abend beschlossen hat – vermutlich ist der Begriff «beschlossen» auf die Sitzung bezogen richtig, aber das Präsidium kann keine Beschlüsse zum Geschäftsreglement des Kantonsrates fassen, es kann allenfalls Anträge stellen: Ich bin überrascht – ich sage das offen – und stehe weiterhin voll und uneingeschränkt hinter der Lösung und dem Antrag, den die Rechtspflegekommission zuhanden des Präsidiums verabschiedet hatte. Wenn die Wahlkompetenz jetzt neu bei uns im Rat bzw. die Vorauswahl bei der Rechtspflegekommission ist, können sich nämlich problemlos auch Parteiunabhängige für die Wahl als Leitende Staatsanwälte bewerben – da stehe ich dazu. Dann werden wir verschiedene Bewerber haben, die für mich in der ersten Auswahl allein nach fachlichen Kriterien zu beurteilen sind. Sollte sich dann eine gewisse Gleichwertigkeit ergeben, dann steht es jedem von uns im Rat frei, wen wir wählen. Wenn wir uns als Mitglieder der Rechtspflegekommission – und ich spreche jetzt nicht primär als Jurist – überfordert sehen, eine Leitende Staatsanwältin oder einen Leitenden Staatsanwalt aufgrund von Bewerbungsdossiers und Gesprächen zu beurteilen, dann frage ich mich und frage ich Sie, weshalb massen wir uns dann an, die höchsten kantonalen Richterinnen und Richter aufgrund von Vorschlägen der Rechtspflegekommission zu wählen?

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Der Rückkommensantrag ist abzulehnen.

Die SVP-Fraktion beantragt Ihnen einstimmig, auf diese Bestimmungen nicht zurückzukommen. Gründe und Überlegungen dafür sind:

  1. Entgegen verschiedenen Äusserungen heute hat sich die vorberatende Kommission sehr wohl und ausführlich mit den Konsequenzen auseinandergesetzt, welche die Zuständigkeitsverschiebung der Wahlkompetenz mit sich bringt.

  2. Die behauptete Überforderung unseres Rates und/oder der Rechtspflegekommission bedeutet, dass wir – was die Staatsanwälte betrifft bis ins Jahr 2000 und für höchste kantonale Richter seit Jahrzehnten – schlecht ausgewählt haben.

  3. Unter der aktuellen Zuständigkeit waren je zweimal der Erste Staatsanwalt sowie zwei – so würde man sie heute nennen – Leitende Staatsanwälte zu wählen. Wie wir in der Rechtspflegekommission vom Departement informiert wurden, wurden je einmal die Stelle des Ersten Staatsanwaltes und die Stelle eines Leitenden Staatsanwaltes ausgeschrieben – beim Zweiten aber eigentlich nur noch, um nach einem Assessment den Wunschkandidaten auswählen zu können. Die Wahlen drei und vier wurden ohne echte Ausschreibung vorgenommen, weil für das Departement klar war, dass nur die zur Diskussion stehenden Personen in Frage kommen sollen. Ich frage Sie, Bereuter-Rorschach, ob das auf diese von Ihnen erwähnte «Auswahl aus den Besten» zutrifft.

  4. Die SVP-Fraktion ist einverstanden mit der vorgesehenen Öffnung, dass nämlich die Spitzen der Staatsanwaltschaft für die Neubesetzung auch öffentlich ausgeschrieben werden.

  5. Wir teilen die Beurteilung, dass fachliche und persönliche Befähigung wichtig ist. Aus unserer Sicht ist es aber auch richtig, dass auch die Spitzen der Untersuchungsbehörden gesellschaftspolitisch breit zusammengesetzt sind.

Zusammenfassend gibt es – und da komme ich zu einer anderen Würdigung als Schrepfer-Sevelen – keine neuen Argumente für Rückkommen, jedoch für Festhalten am Beschluss unseres Rates.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Der Rückkommensantrag ist abzulehnen.

Ich war mir vorhin nicht mehr ganz sicher, ob jetzt ich oder Bürgi-St.Gallen der Sprecher des Präsidiums ist. Ich möchte deshalb ganz kurz die gestrige Sitzung des Präsidiums zu diesem Bereich wiedergeben, auch wenn in der Zwischenzeit bereits präzisiert wurde: Uns geht es auch ein Stück weit darum, eine Öffnung zu erreichen, denn auch wir sind der Ansicht, wir müssen den Besten die Chance geben. Es tat gut, von Klee-Berneck zu hören, dass auch junge Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eine Chance haben sollen, deshalb haben wir gestern einen jungen Kantonsrichter gebracht. Spass beiseite: Schliesslich entscheidet ja nicht das Präsidium, sondern bestimmen Sie das Wahlverfahren. Wir stellen lediglich einen entsprechenden Antrag. Die Verbindung zu den Fraktionen, welche die Kandidaturen einreichen, wird so sicherlich in ein neues Licht gerückt. Ob nur das Amtsblatt das richtige Instrument zur Ausschreibung ist, oder ob vielleicht noch weitere Zeitungen in Betracht zu ziehen sind, das muss operativ noch geklärt werden. Aber grundsätzlich halten wir am heutigen System fest, ergänzt um eine gewisse Öffnung.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

beantragt im Namen von Bereuter-Rorschach / Schrepfer-Sevelen und in eigenem Namen auf Art. 14 Abs. 1 Bst. a zurückzukommen und für den Fall, dass der Kantonsrat auf die Bestimmung zurückkommt, Art. 14 Abs. 1 Bst. a wie folgt zu formulieren: «die Erste Staatsanwältin oder der Erste Staatsanwalt, die Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Leitende Jugendanwältin oder der Leitende Jugendanwalt von der Regierung. Für Amtsdauer und Vereidigung gelten die Vorschriften des Gerichtsgesetzes;».

Gestatten Sie mir aufgrund der nun entbrannten Diskussion als Antragsteller einige Worte an Sie zu richten – als Nicht-Jurist und somit einer, der sich in der 1. Lesung vermutlich der Auswirkungen nicht bis ins Detail bewusst war: Die Diskussion in der Rechtspflegekommission wie auch in der Fraktion hat gezeigt, wie komplex das Ganze ist. Ich als Postunternehmer will als Mitglied der Rechtspflegekommission die Fachlichkeit einer Leitenden Staatsanwältin oder eines Leitenden Staatsanwaltes nicht attestieren. Zudem benötigte es mehr Zeit und auch Support, um dies zu erarbeiten. Wir haben bei der Nachfolge für die Rechtspflegekommission gesehen, wie schwierig es nur schon in der CVP-Fraktion war, Leute mit einer juristischen Ausbildung zu delegieren. Ich erachte dieses Rückkommen als berechtigt, da ansonsten die zeitlichen Anforderungen an die Rechtspflegekommission stark zunehmen würden. Wir wollen ja nicht, dass wir eine parteipolitische Zusammenstellung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben, sondern müssen dort wirklich die Fachlichkeit priorisieren. Es ist richtig, nochmals zu diskutieren, wo wir dieses Wahlgeschäft in Zukunft ansiedeln wollen. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass wir diese Sache bei der Regierung belassen und auf einen unnötigen parteipolitischen Zickzackkurs verzichten sollen.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Im Zuge dieses neuen Beschlusses über die Wahlzuständigkeit sind noch weitergehende Anpassungen bzw. Rückkorrekturen an der Vorlage notwendig:

In Art. 14 Abs. 1 Bst. a ist der letzte Satz zu streichen. Der Grund für diese Streichung ist, dass bei einer Wahl durch die Regierung zweckmässigerweise die Amtsdauer mit jener der Regierung übereinstimmt. Dass die Wahl der Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf Amtsdauer erfolgt, ergibt sich bereits aus dem Staatsverwaltungsgesetz und aus der Verordnung über den Staatsdienst. Dabei gilt heute eine vierjährige Amtsdauer, die jener der Regierung entspricht. Sie deckt sich somit mit den übrigen von der Regierung gewählten Kaderangehörigen der Kantonsverwaltung. Die Vereidigung für Mitarbeitende der Staatsverwaltung besteht schon heute nicht mehr. Würde der letzte Satz von Art. 14 Abs. 1 Bst. a stehen bleiben, hiesse dies, dass die Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eine sechsjährige Amtsdauer hätten. Dies wäre grundsätzlich möglich, wurde aber so vorgesehen, weil wir bei einer Wahl durch den Kantonsrat eine Gleichstellung mit den übrigen durch den Kantonsrat gewählten Justizpersonen erreichen wollten. Nachdem dies nun aber nicht mehr der Fall ist, macht es meines Erachtens keinen Sinn, von einer sechsjährigen Amtsdauer auszugehen.

In Art. 78bis sind Abs. 1 und 2 zu streichen. Diese enthalten das Übergangsrecht für die Wahl der Ersten Staatsanwältin, des Ersten Staatsanwaltes und die Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bis zum Ablauf der geltenden Amtsdauer. Diese Bestimmung ist nur notwendig und sinnvoll, wenn die Wahl durch den Kantonsrat erfolgt.

Art. 78bis Abs. 3 ist inhaltlich beizubehalten. Da es sich aber jetzt nur noch um einen Restbestand handelt, muss dieser sprachlich etwas angepasst werden. Eine sinnvolle Anpassung könnte lauten: «Die Übergangsbestimmungen der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 werden sachgemäss angewendet.»

Schliesslich sollte Art. 79 Abs. 2 gestrichen werden. Man könnte diesen zwar theoretisch auch ohne Schaden im Gesetz stehen lassen. Die Regierung ist jedoch bereits heute für die in Art. 14 Abs. 1 Bst. a geregelten Wahlen zuständig, daher ist diese Bestimmung nicht notwendig.

Im Namen der vorberatenden Kommission ersuche ich Sie, diesen Anträgen zuzustimmen. Da diese im Hinblick auf den Rückkommensantrag durch das Departement vorbereitet wurden, hat die vorberatende Kommission davon jetzt keine explizite Kenntnis. Mit Ausnahme der Frage der Amtsdauer von vier oder sechs Jahren handelt es sich aber nicht um materielle Änderungen, sondern um notwendige Folgekorrekturen im Zuge der nun wieder der Regierung zustehenden Wahlkompetenz.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Sie haben die zwei Bestimmungen, Art. 30 und Art. 78 und 79, in der Februarsession 2010 an die vorberatende Kommission zurückgewiesen. Diese hat die zwei Themenbereiche an einer Sitzung vom 10. März 2010 noch einmal beraten. Der Kommission lagen Entwürfe des Departementes zu diesen Fragen vor, die auf der Basis der gehaltenen Diskussion erarbeitet wurden. Die vorberatende Kommission hat beiden Vorschlägen des Departementes einstimmig zugestimmt.

Bei Art. 30 geht es um die Informationsrechte und -pflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber anderen Behörden und Privatpersonen, insbesondere auch gegenüber der Schule. Die vorberatende Kommission war der Meinung, dass der vorgelegte Entwurf nun ausreichend rechtliche Grundlagen schafft, um diese Informationen, soweit sie notwendig sind, auch an die entsprechenden anderen Behörden und Privatpersonen weiterleiten zu können.

Bei Art. 78 und 79 handelt es sich um Übergangsbestimmungen. Es hat sich gezeigt, dass die Situation einer Neuwahl der Ersten Staatsanwältin oder des Ersten Staatsanwaltes sowie der Leitenden Staatsanwältin oder des Leitenden Staatsanwaltes ab heute bis Ende Jahr im Moment nicht geregelt ist. Das geltende Recht würde dazu führen, dass die Wahlkompetenz immer noch bei der Regierung liegt. Die Regierung hat Bedenken geäussert, die Wahlkompetenz noch wahrzunehmen, obwohl der Rat in 1. Lesung beschlossen hat, diese dem Kantonsrat zuzuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Übergangsbestimmung entstanden, die sicherstellt, dass allfällig notwendige Neuwahlen ab sofort bzw. ab Rechtskraft des Erlasses durch den Kantonsrat vorgenommen werden.

Die vorberatende Kommission hat auch die Frage der Anzeigepflichten noch einmal diskutiert. Es wurde ein neuer Vorschlag eingebracht, der sicherstellen sollte, dass nicht nur bei Verdacht eine Anzeige gemacht werden muss, sondern dass dieser Verdacht konkret sein muss. Dieser Antrag wurde dann aber mit 6:8 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

(im Namen der grossen Mehrheit der CVP-Fraktion): Der Rückkommensantrag ist abzulehnen.

Es gibt seit der 1. Lesung keine neuen Argumente, die ein Rückkommen begründen könnten. Dass die Rechtspflegekommission eine zusätzliche Aufgabe erhält, macht ja auch die Mitarbeit in der Rechtspflegekommission interessanter. Dass das Verfahren innerhalb der Rechtspflegekommission etwas angepasst werden muss, stellt doch kein Problem dar. Gegenüber Verbesserungen sind wir aufgeschlossen, Verbesserungen in den Abläufen sind und werden immer erwünscht sein. Da wird sich auch die fachliche Kompetenz der Kandidierenden durchsetzen, bei dem entsprechend in Aussicht genommenen Verfahren innerhalb der Rechtspflegekommission. Dass die Parlamentsdienste Unterstützung leisten müssen, ist auch nicht neu, sondern selbstverständlich: Alle ständigen Kommissionen erfahren diese wertvolle Unterstützung. Dass eine allfällige Mehrarbeit innerhalb der Rechtspflegekommission durchaus bewältigbar ist, geht auch daraus hervor, dass solche Wahlen für die Spitzen der Staatsanwaltschaft ja nicht alle Monate, sondern in der Regel alle zwei bis drei Jahre vorkommen. In den letzten zehn Jahren wurden vier Personen als Spitzen der Staatsanwaltschaft gewählt; das ist nicht eine Arbeit, die uns permanent beschäftigt. Die Wahl der Spitzen der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat ist letztlich auch eine Aufwertung, eine Wertschätzung der Staatsanwaltschaft, dieser wichtigen Behörde innerhalb unserer staatlichen Struktur. Und etwas auch staatspolitisch Wichtiges: Die Staatsanwaltschaft ist ja nicht nur Exekutivorgan, sondern für den weitaus grössten Teil der Bevölkerung, die irgendwie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, auch Richter. Von den fast 30'000 Gesetzesverstössen im Jahr ahnden die Organe der Staatsanwaltschaft nämlich den weitaus grössten Teil, nur knapp 1000 Fälle gehen an die von Volk und Kantonsrat gewählten Gerichte. Alle anderen Fälle von Gesetzesverstössen werden via Bussenverfügungen und Strafbescheiden von den Gremien der Staatsanwaltschaft in der Funktion als Richter geahndet und abgeurteilt. Diese Richterfunktion der Staatsanwaltschaft rechtfertigt die Wahl der Spitzen der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat. Belassen wir es also beim Ergebnis der 1. Lesung.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

In dieser Sache ist mittlerweile seit der gestrigen Sitzung des Präsidiums des Kantonsrates eine etwas delikate Situation entstanden, über die ich mich als Präsident der Rechtspflegekommission verpflichtet fühle, Sie zu informieren. Verschiedene Votanten haben sich auf die Diskussionen innerhalb der Rechtspflegekommission berufen und herausgestrichen, dass es dort v.a. darum geht, die Fachlichkeit zu gewährleisten. Ich kann auch aus meiner persönlichen Sicht bestätigen, dass dies unsere Leitlinie war, als wir unsere Vorstellungen entwickelt haben, wie eine Wahl der Spitzen der Staatsanwaltschaft durch den Kantonsrat erfolgen könnte. Aus unserer Sicht wäre eine Ausschreibung dieser Stellen unumgänglich. Die Prüfung der Bewerbungen hätte durch die Rechtspflegekommission vorgenommen werden sollen. Da mit mehr Bewerbungen als bei den Richterstellen, für die der Kantonsrat ja bis anhin zuständig war, zu rechnen ist, waren wir innerhalb der Rechtspflegekommission der Auffassung, dass die Kommission dem Rat Wahlvorschläge unterbreiten können soll. Dieses System würde eine Anpassung des Geschäftsreglementes des Kantonsrates voraussetzen, und dafür ist das Präsidium zuständig.

Bei der Behandlung dieses Traktandums an der gestrigen Sitzung hat sich gezeigt, dass die Vorstellungen der Rechtspflegekommission und des Präsidiums nicht deckungsgleich sind. Es ist nur ein sehr kleiner gemeinsamer Nenner feststellbar gewesen. Das Präsidium möchte daran festhalten, dass Wahlvorschläge ausschliesslich über die Fraktionen eingehen sollen, es würde also kein Vorschlagsrecht der Rechtspflegekommission geben. Die einzige Anpassung – die aber nicht einmal eine formelle Änderung des Geschäftsreglementes bedingen würde – wäre, dass man solche Stellen für die Spitzen der Staatsanwaltschaft, aber auch für Fachrichter, im Amtsblatt ausschreiben würde, mit der Aufforderung, sich bei einer der Fraktionen des Kantonsrates zu melden. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Eine Vorlage zur Änderung des Geschäftsreglementes im Hinblick auf die Zuständigkeit der Wahl der Staatsanwaltschaft müsste in der Junisession 2010 behandelt werden. Die Vorstellungen gehen hier klar auseinander, und das ist wichtig für Sie zu wissen, wenn Sie jetzt über Rückkommen entscheiden müssen.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Um die Diskussion über die gestrige Sitzung des Präsidiums abzuschliessen, kann ich Ihnen Folgendes sagen: Das Präsidium hat über das Wahlprozedere gestern des Längeren debattiert, und es hat auch beschlossen, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, der in eine bestimmte Richtung geht. Es liegt selbstverständlich in der Zuständigkeit dieses Rates, über das Geschäftsreglement des Kantonsrates zu beschliessen, denn dort würden die entsprechenden Änderungen notwendig sein. In diesem Sinne gibt es zwar vielleicht Beschlüsse der Rechtspflegekommission oder des Präsidiums, aber Priorität und alleinige Zuständigkeit liegt bei diesem Rat.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Dem Rückkommensantrag ist zuzustimmen.

Wie von Güntzel-St.Gallen erwähnt, hat sich die vorberatende Kommission in der Tat sehr intensiv mit dem Geschäft auseinandergesetzt. Auch in der Rechtspflegekommission haben wir uns intensiv mit dem Geschäft auseinandergesetzt. Wir hörten dort, wie das Auswahlverfahren über die Regierung läuft. Ich möchte nochmals daran erinnern: Bei der Reorganisation der Organe der Rechtspflege (Redor) im Jahr 2000 wurden die Aufgabenbereiche der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sehr stark angepasst. Vorher handelte es sich vorwiegend um eine Rechtsmittel- und Aufsichtsbehörde ohne Führungsfunktion, durchaus vergleichbar mit einem Gericht. Neu sind die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in leitender Funktion Amtsleiter mit klarer Vorgesetztenfunktion. Bei der Besetzung der Stellen kommt es also sehr wesentlich auf Führungsqualitäten, auf lange Erfahrung im Bereich der Strafrechtspflege und darauf an, dass die Leute im eigenen Amt aufgrund ihrer fachlichen Ausstrahlung von Anfang an respektiert werden. Wenn ich nun höre, dass im Präsidium darüber verhandelt wird, dass die Vorschläge doch wieder über die Fraktionen kommen und lediglich in Betracht gezogen wird, dass man im Amtsblatt ausschreibt, dann kommt es eben genau wieder so, wie wir es eigentlich nicht möchten. Wir möchten doch den Besten die Chance geben. Dafür braucht es eine öffentliche Ausschreibung, und da genügt nun einmal das Amtsblatt nicht. Wir möchten doch auch jüngeren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten aus anderen Kantonen die Chance geben, dass sie bei uns im Kanton St.Gallen, der bekanntlich im Bereich der Staatsanwaltschaft einen hervorragenden Ruf geniesst, auch arbeiten können. Deshalb bitte ich Sie, überlegen Sie sich gut, ob Sie nicht darauf zurückkommen wollen, ob wir nicht ein so wichtiges Geschäft dort lassen, wo es ja sehr gut aufgehoben ist und damit auch sehr gute Erfahrungen gemacht wurden, nämlich bei der Regierung. Weshalb wollen wir die Rechtspflegekommission mit einem so diffizilen Geschäft belasten? Ich sage bewusst «belasten», denn es brauchte viele Sitzungen, bis das Auswahlverfahren so über die Bühne gegangen ist, dass wir alle Ja sagen können und der Meinung wären, wir hätten nun die besten Leute.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Art. 14 Abs. 1 Bst. a (Wahl). beantragt im Namen von Bischofberger-Thal, Schrepfer-Sevelen und in seinem eigenen Namen, auf Art. 14 Abs. 1 Bst. a zurückzukommen und für den Fall, dass der Kantonsrat auf die Bestimmung zurückkommt, diesen wie folgt zu formulieren: «die Erste Staatsanwältin oder der Erste Staatsanwalt, die Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Leitende Jugendanwältin oder der Leitende Jugendanwalt von der Regierung. Für Amtsdauer und Vereidigung gelten die Vorschriften des Gerichtsgesetzes;».

Worum es den Unterzeichnenden geht, ersehen Sie aus der schriftlich eingereichten Begründung, die vielleicht etwas ausführlicher geraten ist, als das sonst üblich ist. Sie können daraus entnehmen, dass mich insbesondere auch die Stellungnahme des Präsidiums bzw. die Überlegungen der Rechtspflegekommission bezüglich der Konsequenzen einer Verschiebung der Kompetenz der Wahlzuständigkeiten zu diesem Rückkommensantrag bewogen haben. Daneben verhehle ich aber nicht, dass auch das knappe Abstimmungsresultat in der Februarsession 2010 eine Motivation ist, mit diesem Anliegen nochmals an den Rat zu gelangen. Die Sache ist mir nämlich zu wichtig, als dass man sie einfach so im Raum stehen lassen dürfte.

Wenn Sie die Vorlage ansehen und darin insbesondere einen Blick auf die Zuständigkeiten der Leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte oder des Leitenden Jugendanwaltes oder der Leitenden Jugendanwältin in Art. 11 werfen, dann erkennen Sie, dass in jeder Hinsicht eine hohe fachliche Kompetenz gefordert ist. Dies bedingt unseres Erachtens eine Auswahl unter den bestmöglichen Kandidaten. Ob diese nun innerhalb des Kantons oder ausserhalb unseres Kantons wohnen, darf dabei keine Rolle spielen. Wir sind der festen Überzeugung, dass, wenn wir an der bewährten Zuständigkeit der Regierung und damit auch am entsprechenden Wahlvorbereitungsprozedere festhalten, wir die beste Gewähr haben, tatsächlich die besten Personen für diese bei der Strafverfolgung sehr wichtigen Aufgaben zu erhalten. Dazu kommt, wie im Antrag aufgeführt, dass mit einer Änderung der Wahlzuständigkeit zum Kantonsrat die Rechtspflegekommission neue, zusätzliche Aufgaben hat, die so nicht vergleichbar sind mit den Wahlvorbereitungen für die Besetzung eines Richteramtes. Wenn man – was offensichtlich auch das Bestreben der Rechtspflegekommission ist – den Kreis der Kandidierenden breit halten will, dann bedingt dies entsprechende Verfahren, für die die Rechtspflegekommission unseres Erachtens nicht das richtige Gremium ist.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Dem Rückkommensantrag ist zuzustimmen.

«Never change a winning team.» – Sie alle kennen das geflügelte Wort. Bezogen auf unser Geschäft müsste man es in «Never change a working system» abwandeln. Ich habe noch keine Argumente gehört, weshalb man das bestens funktionierende System, dass nämlich die Regierung die juristischen Leitungspersonen wählt, aufheben sollte. Die Regierung hat eine gute Hand bewiesen und die Wahlen jeweils mit Sorgfalt und Geschick vorgenommen. Wie ging die Regierung vor? Die Fachlichkeit stand im Zentrum und die Frage, ob die Kandidierenden mit den Verhältnissen in der Strafrechtspflege und allenfalls auch im Kanton St.Gallen vertraut sind. Die vielfältigen Führungsaufgaben und die fachlichen Anforderungen machten ein professionelles Auswahlverfahren, z.B. mittels Assessments, erforderlich, sofern die Bewerberinnen und Bewerber dem Wahlorgan nicht persönlich und in ihrer täglichen Arbeit bekannt waren. Wir können uns nicht vorstellen, wie die Rechtspflegekommission oder das Parlament eine Wahl auf eine entsprechende Weise vorbereiten würde. Die zeitlichen Anforderungen würden auf jeden Fall erheblich zunehmen. Wo der Vorteil eines solchen Systemwechsels sein soll, bleibt unerkennbar.

Etwas Zweites kommt hinzu: Das bisherige Auswahlverfahren ermöglichte es, die zentralen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und es liess auch den Bewerberinnen und Bewerbern eine Chance, die zwar innerhalb der Strafjustiz, nicht aber im Kanton St.Gallen bekannt sind. Zudem stellen wir uns der Realität. Die jüngeren Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nur noch zu einem kleinen Teil politisch gebunden und zu einem noch kleineren Teil politisch tätig – und dies zu Recht: Parteipolitische Betätigung verträgt sich mit der Funktion als Staatsanwältin bzw. Staatsanwalt, die der Neutralität verpflichtet sind, ziemlich schlecht. Die politische Haltung sollte also nur eine untergeordnete Rolle spielen, ungebundene Bewerberinnen und Bewerber sollten die gleichen Chancen haben wie Parteimitglieder. Ich kann auch in dieser Hinsicht nicht erkennen, wo der Vorteil eines Systemwechsels liegen soll.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Der Kantonsrat hat bereits im Rahmen der 1. Lesung in der Februarsession 2010 Eintreten auf die Gesamtvorlage beschlossen. Eine Abstimmung über das Eintreten auf die hier zur Diskussion stehenden Artikel entfällt damit.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Aufgrund des Rückkommens entfällt der Antrag der vorberatenden Kommission zu Art. 78. Der Antrag der vorberatenden Kommission zu Art. 79 Abs. 2 entfällt. Über Art. 78 Abs. 1 zum Inkrafttreten dieses Erlasses ist noch zu bestimmen.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
20.4.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Bestimmungen (Art. 30 und Art. 78bis) sind in 1. Lesung durchberaten und gehen zur Vorbereitung der 2. Lesung zurück an die vorberatende Kommission.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
7.6.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Die Vorlage ist in 2. Lesung durchberaten und geht zur Vorbereitung der Schlussabstimmung an die Redaktionskommission.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2010
8.6.2010Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Eine knappe Ratsmehrheit hat das Wahlverfahren für den Ersten und die leitenden Staatsanwälte sowie für den leitenden Jugendanwalt (im Folgenden mit «Geschäftsleitung» bezeichnet) an die Regierung rückübertragen, was unsere Fraktion aus folgenden Gründen als falsch beurteilt und sehr bedauert: Offensichtlich hat eine Ratsmehrheit Angst davor, die eigene Position zu stärken, und begibt sich deswegen noch mehr in die Abhängigkeit von Exekutive und Verwaltung. Dabei wird übersehen, dass Erfahrungen und Kenntnisse in der Unternehmensführung und in der Personalrekrutierung beim Parlament bestimmt nicht kleiner sind als bei der Regierung. Gerade auch Exponentinnen und Exponenten jener Partei, die sich für die Verkleinerung des Kantonsrats - und damit auch für mehr Verantwortung der einzelnen Mitglieder - eingesetzt hatten, haben nun fast geschlossen für die bisherige Lösung gestimmt. Wenn auch ein grösserer Teil unseres Rates die langjährige Zuständigkeit der Wahl der Staatsanwälte durch den Kantonsrat bis zum Jahr 2000 nicht selber erlebt hat, wozu auch ich gehöre, wurde, wenn von Fehlern die Rede ist, der Fehler beim damaligen Systemwechsel und nicht bei der im Jahr 2010 vorgesehenen Rückübertragung ans Parlament gemacht. Zum einen wurden die Aufgaben im Jahr 2000 nicht derart anders geregelt, wie heute dargestellt wird. Zum andern stellt sich die Frage, wenn heute Führungsqualitäten so wichtig sind, weshalb denn seither niemand mit unternehmerischer Erfahrung berücksichtigt wurde. Das alte System war transparent, was bei der Wahl durch die Regierung nicht gesagt werden kann. Wenn nämlich bei vier von der Regierung vorgenommenen Wahlen nur ein einziges Mal ein externer Bewerber bestimmt worden ist, dann ist dies nicht allein auf die personelle Qualität der st.gallischen Untersuchungsbehörden zurückzuführen. Dreimal hat keine öffentliche Ausschreibung stattgefunden, die diesen Namen verdient, denn es war schon im Voraus klar, wer die vakanten Stellen besetzen wird. Dies hat zur Folge, dass sich externe Interessenten gar nicht mehr für die freiwerdenden Leitungsfunktionen in der st.gallischen Staatsanwaltschaft bewerben. Die Aussage einer Ratskollegin für die Beibehaltung der Wahlkompetenz bei der Regierung ist ironisch, wenn «nicht nur die Besten gewählt werden sollen, sondern zudem auch jüngeren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten aus anderen Kantonen die Chance gegeben werden soll, im Kanton St.Gallen zu arbeiten»!

Es wird zudem übersehen, dass es sehr gute Gründe gibt, die Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte nach einem Parteienproporz zu besetzen, um ein Abbild der gesellschaftlichen Vielfalt sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, als die Staatsanwaltschaft eben nicht nur Untersuchungsbehörde ist, sondern ihr auch richterliche Funktionen zukommen. Es werden nämlich nur noch wenige Prozente aller Straffälle von den Gerichten entschieden. Weniger als Argument denn Konsequenz der Wahlkompetenz der Regierung sei erwähnt, dass dies einer klaren Misstrauenskundgebung an diejenigen Mitglieder der Geschäftsleitung gleichkommt, die vor dem Jahr 2000 durch den Kantonsrat gewählt wurden. Wenn dem Kantonsrat die Kompetenz für diese Wahlen fehlt, müssen sich die amtsälteren Mitglieder der Staatsanwaltschaft als zweitklassig vorkommen, sind sie doch durch den damaligen Grossen Rat gewählt worden. Es ist eine grosse Chance vertan worden. Die SVP-Fraktion wird die Vorlage in der Schlussabstimmung dennoch gutheissen, da der Kanton St.Gallen auf das Jahr 2011 ein entsprechendes Einführungsgesetz benötigt. Sie wird aber, auch bei anderer Gelegenheit, auf die Frage zurückkommen, denn sie will die Wahlkompetenz des Parlaments auch in anderen Tätigkeitsgebieten stärken.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2010
7.6.2010Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Die vorberatende Kommission verzichtete auf eine Sitzung zur Beratung des Ergebnisses der 1. Lesung des Kantonsrates. Sie beantragt, auf die Vorlage in 2. Lesung einzutreten.

Session des Kantonsrates vom 7. und 8. Juni 2010
22.2.2010Wortmeldung

Art. 7 [Staatsanwaltschaft b) Zusammensetzung]. Präsident der vorberatenden Kommission: Zu Art. 7 bzw. Art. 13 Abs. 1 und 2: Die vorberatende Kommission hat zu diesen Artikeln längere Diskussionen geführt. Schliesslich wurde einem Antrag, mit dem der Begriff Assistenzstaatsanwältinnen und Assistenzstaatsanwälte sowie Assistenzjugendanwältinnen und Assistenzjugendanwälte mit Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen bzw. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit jugendanwaltschaftlichen Befugnissen ersetzt werden soll, mit 13:4 Stimmen zugestimmt. Die Kommission liess sich dabei insbesondere von den Aussagen des Ersten Staatsanwalts überzeugen, dass die Bezeichnung «Staatsanwalt» der effektiven Funktion entspricht und dass der bisherige Begriff «Untersuchungsrichter» insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr zu Missverständnissen und Erklärungsbedarf geführt hat.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Präsident der vorberatenden Kommission: Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Die vorberatende Kommission hat die Vorlage am 21. Dezember 2009 sowie am 13. Januar 2010 beraten. Ihr standen als Experten Niklaus Oberholzer, Präsident der Anklagekammer, Andreas Hildebrandt, Vizepräsident des Kreisgerichts Rorschach, und Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt für das Einführungsgesetz der Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung, sowie Christoph Leuenberger, Kantonsrichter, und Martin Kaufmann, Vizepräsident des Kreisgerichtes Gaster-See für das Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, zur Verfügung. Die Vereinheitlichung der Prozessordnungen wurde von allen Fraktionen begrüsst und die Vorlagen in wesentlichen Teilen als sachgerecht beurteilt. Diskussionen ergaben sich zur Frage, ob der Präsident der Anklagekammer und der Vizepräsident des Kreisgerichtes Rorschach als Mitarbeiter der Staatsverwaltung im Sinne von Art. 53 Abs. 1 des Geschäftsreglementes des Kantonsrates zu gelten haben oder nicht. Es ist wohl sinnvoll, wenn diese Frage für künftige Kommissionen gelegentlich durch das Präsidium geklärt wird.

Zunächst zum Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung. Die Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Strafprozessordnungen haben bereits in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts begonnen. Mit der nun vorliegenden Schweizerischen Strafprozessordnung und der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung werden künftig nicht nur die strafbaren Verhaltensweisen einheitlich umschrieben, sondern schweizweit nach denselben prozessualen Regeln verfolgt und beurteilt. Den Kantonen verbleibt lediglich ein gewisser Spielraum im Bereiche der Organisation der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichtsorganisation. Diesen Spielraum füllt das Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung nun aus. Für den Kanton St.Gallen sind die Anpassungen relativ moderat, da das nun auf eidgenössischer Ebene eingeführte Staatsanwaltsmodell im Kanton St.Gallen bereits Geltung hatte. Andere Kantone kannten bislang andere Modelle, insbesondere eine strikte Trennung zwischen Untersuchungs- und Anklagebehörden.

In der Eintretensdiskussion fand die Vorlage weitgehende Zustimmung. Die Kommission trat einstimmig auf die Vorlage ein, Abweichungen und Diskussionen zu einzelnen Artikeln werde ich im Rahmen der Spezialdiskussion bekanntgeben. Auch das Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung wurde von sämtlichen Fraktionen begrüsst. Die Kommission trat einstimmig auf die Vorlage ein. Und das Gleiche gilt auch für den III. Nachtrag zum Anwaltsgesetz, das ebenfalls unbestritten war.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Der Antrag Wild-Neckertal und der Antrag der SP-Fraktion sind abzulehnen.

Es gibt doch nichts Schizophreneres als die straf- und strafprozessrechtliche Diskussion der letzten Monate und Jahre. Zum einen werden immer mehr Delikte unter Strafe gestellt und es wird nach mehr Strafverfolgung gerufen. Ich möchte daran erinnern, dass dieser Rat im Bereich des Ordnungsstrafrechts z.B. das Wegwerfen von Abfällen oder das Rauchen in Restaurants unter Strafe gestellt hat. Es werden auch vom Volk Initiativen eingereicht für lebenslängliche Verwahrung von gewissen Sorten von Straftätern, gerade im sexuellen Bereich, oder für die Aufhebung der Verjährungsfrist für solche Strafen. Andererseits wird jetzt wieder darüber diskutiert, ob es in das Ermessen von Behörden aller Art gestellt werden soll, dass schwerwiegendste Delikte, wie sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung, überhaupt verfolgt werden sollen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich meine, dass es in solchen Fällen nicht davon abhängen kann, wie die Interessenabwägung von irgendeiner Behörde, welche sich nicht mit Strafrecht befasst, aussieht. Sie müssen sich die Konsequenzen überlegen: Wenn die Vormundschaftsbehörde Neckertal zum Schluss kommt, nicht anzuzeigen, dann entgeht der entsprechende Straftäter jeglicher Strafverfolgung, und wenn die Vormundschaftsbehörde im Nachbardorf anzeigt, dann wird der Straftäter, der dieselbe Straftat begangen hat, möglicherweise lebenslänglich verwahrt. Das kann doch nicht sein in einem Rechtsstaat. So etwas können wir nicht akzeptieren, dass das Recht letztlich von den Beurteilungen von Behörden, die mit einer Angelegenheit nicht aus strafrechtlicher Sicht befasst sind, abhängt. Deshalb ist es wichtig, dass bei schweren Delikten - und nur um solche geht es -, die Anzeigepflicht wieder eingeführt wird, dass solche Straftaten auch ausnahmslos geahndet werden. Zum Argument von Schrepfer-Sevelen: Ich habe gelegentlich auch mit Opfern zu tun, da gibt es zwei Kategorien: solche die sich wehren können, und solche, die aufgrund ihrer psychischen Konstitution ausserstande sind, sich zu wehren, und auch in solchen Fällen muss Abhilfe geschaffen werden. Oder im Zusammenhang mit der Bekämpfung der häuslichen Gewalt wurde darüber diskutiert, dass Strafanzeigen unter dem Druck von Verwandten, Bekannten usw. wieder zurückgezogen werden. Glauben Sie, bei solch schweren Delikten werde kein solcher Druck ausgeübt? Im Interesse einer Verfolgung schwerer Kriminalität bitte ich Sie, an der Anzeigepflicht festzuhalten.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Dem Antrag der CVP-Fraktion ist zuzustimmen.

Regierungsrätin Keller-Sutter hat nun einerseits dazu beigetragen, die Sache zu entwirren, andererseits aber mit dem Art. 7bis in der Strafprozessverordnung aber eine neue Verwirrung gestiftet. Dazu werde ich noch einen Antrag stellen.

Es wird ein neues Gesetz geschaffen, und dieses besagt in Art. 30 Abs. 2 klipp und klar, dass die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Departement oder Gemeindepräsidium sowohl von der Eröffnung als auch der Erledigung eines Strafverfahrens Kenntnis gibt. Das Problem dabei ist: erstens, dass bei einer Bussenerhebung auf der Stelle und zweitens bei einer Problemlösung ohne Rapport an die Staatsanwaltschaft durch die Polizei gar kein Strafverfahren eröffnet wird. Ohne Strafverfahren aber lässt Art. 30 Abs. 2 der Verordnungsgeberin keinerlei Handlungsspielraum, um Informationspflichten einzuführen, weil das durch die Gesetzesdelegation nicht abgedeckt ist. Deshalb ist dieser Art. 7bis in der Strafprozessordnung nach dem Inkrafttreten dieses Einführungsgesetzes nicht mehr möglich. Der Art. 7bis hat sich aber in der Praxis bewährt, und deshalb möchte die CVP-Fraktion diese Möglichkeit weiterhin offenhalten. Es geht ihr um eine entsprechende Erweiterung des Gesetzesartikels. Eine Auslegung, wie sie Regierungsrätin Keller-Sutter soeben gemacht hat, ist nicht zulässig. Andernfalls möchte ich sie bewiesen haben. Information soll auch bei niederschwelliger Kriminalität zugelassen sein. Es macht keinen Sinn, in jedem Fall ein Strafverfahren zu eröffnen, aber es macht häufig Sinn, die zuständigen Gemeindebehörden zu informieren.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Zuerst zu Ritter-Altstätten: Sie können davon ausgehen, dass auch die VB Neckertal Anzeige erstattet, wenn der Fall klar ist. Es ist nicht so, dass da irgendwelche Sachen vertuscht werden. Die Aufgabe der Vormundschaftsbehörde ist der Kindesschutz. Kinder sind von einem solchen Fall ein Leben lang betroffen, ich glaube, das muss ich hier nicht weiter erwähnen. Wir wissen aber auch, dass die Fälle nicht verjährbar sind, das hat man ja erst kürzlich an einer Abstimmung festgestellt. Sachen, die z.B. mit der Steb erarbeitet wurden, diese Unterlagen, die da bestehen, die können auch zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Strafanzeige führen.

Zu Kühne-Flawil: Ich habe den Art. 44bis (neu) zitiert bei meinen Ausführungen. Es ist klar, dass auch ein Verdachtsfall angezeigt werden muss, wenn hier steht: «Behörden und Mitarbeitende des Staates und der Gemeinden sind zur Anzeige verpflichtet, wenn sie von einer strafbaren Handlung Kenntnis erhalten, die als vorsätzliche Tötung (...) sexuelle Handlungen mit Kindern beurteilt werden könnte.» Das ist genau das, was ich ausschliessen möchte.

Zu Dietsche-Oberriet: Ich bin seit wenigstens 20 Jahren in Vormundschaftsbehörden tätig, die meiste Zeit als Präsidentin. Ich kenne das Problem. Ich kenne auch einzelne Fälle, die bei uns in der Gemeinde stattgefunden haben. Es sind zum Teil wirklich schwerwiegende Dinge, die man hier entscheiden muss. Es geht nicht darum, ob man jetzt will oder nicht will oder vielleicht per Zufall noch irgendjemand in der Gemeinde ist, den man schützen will. Es sind schwerwiegende Fälle, und in der heutigen Zeit ist das ganze Kindesschutzwesen eigentlich auf dem Tisch. Man erlaubt sich, die Sachen auf den Tisch zu legen, man spricht darüber, und es wird auch angezeigt. Die häusliche Gewalt, wie Sie erwähnt haben, das hat mit der Strafverfolgungspflicht der Strafverfolgungsbehörden zu tun, die Polizei, wenn sie da ist, muss die Sache automatisch verfolgen, das hat nichts mit diesem Artikel zu tun.

Bis 2006 gab es bereits im Kanton St.Gallen die Anzeigepflicht, die wurde damals dann durch das Anzeigerecht ersetzt. Die schweren Fälle, die in den letzten Jahren stattfanden, die publik wurden, die man gross präsentiert hat, die fanden noch zu der Zeit statt, als die Anzeigepflicht noch bestand. Also das ist kein Schutz davor, dass da nicht etwas passieren kann. In diesem Sinne bitte ich Sie nochmals, den Art. 44bis (neu) abzulehnen und die alte Version zu belassen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Art. 30 (Mitteilung an andere Behörden und an Privatpersonen). beantragt im Namen der CVP-Fraktion, Art. 30 Abs. 2 Satz 1bis (neu) wie folgt zu formulieren: «Erscheinen strafrechtliche Massnahmen als nicht notwendig, macht die Polizei der zuständigen Stelle Mitteilung, wenn die Übertretung mit Bussenerhebung auf der Stelle geahndet oder wenn aus Opportunität auf eine Bestrafung verzichtet wird.»

Ich begründe den Antrag wie folgt: Die CVP-Fraktion hat mit der Motion 42.08.02 «Datenaustausch und Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Organen» einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden und Organen beantragt. Diese Motion wurde mit geändertem Wortlaut gutgeheissen. Nun stellt die CVP-Fraktion fest, dass es in gewissen Bereichen im neuen Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung beim Datenaustausch nicht nur keine Verbesserungen, sondern sogar Verschlechterungen gibt. Das trifft auch für den im Antrag betroffenen Bereich zu. Bis jetzt gab es in der Strafprozessordnung einen Art. 7bis, gemäss dem die erwähnten Informationen z.B. an die Gemeindebehörden weitergegeben werden mussten. Die Formulierung im Art. 30 Abs. 2, wie sie jetzt im Entwurf der Regierung enthalten ist, verunmöglicht die Weitergabe von solchen Informationen, z.B. wenn kein Strafverfahren eröffnet, sondern einfach eine Ordnungsbusse verhängt wird und der Delinquent diese Ordnungsbusse akzeptiert oder wenn aus Opportunitätsgründen auf eine Strafverfolgung verzichtet wird. Aber gerade bei Delikten im Zusammenhang mit Gaststätten, mit Nachruhestörung, mit Nachtlärm und mit Sachbeschädigungen, bei denen solche Verfahren zur Anwendung kommen, ist es für Gemeindebehörden wichtig, dass sie die entsprechenden Informationen erhalten und dass sie notfalls auf dem Verwaltungsrechtsweg, z.B. durch den Entzug des Gastwirtschaftspatents, auf gehäufte Missstände reagieren können.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der CVP-Fraktion): Der Antrag der Regierung ist abzulehnen.

Die CVP-Fraktion unterstützt grossmehrheitlich den Kommissionsantrag. Es geht ihr dabei nicht um ein Misstrauen gegenüber der Regierung oder gegenüber den durch sie bisher vorgenommenen Wahlen, sondern es geht ihr, wie das Bereuter-Rorschach schon erwähnt hat, um die Wertschätzung der Personen und v.a. der Stellung Erster Staatsanwalt, Erste Staatsanwältin oder leitende Staatsanwälte. Die Bedeutung dieser Stellung verdient die Wahl durch den Kantonsrat. Die Justizreform bewirkt ja auch, dass der Kantonsrat mehr Richter, nicht nur diejenigen der obersten Gerichte, sondern auch des Versicherungsgerichts und der Verwaltungsrekurskommissionen, wählt. Da erscheint es folgerichtig, wenn auch der Erste und die leitenden Staatsanwälte durch den Kantonsrat gewählt werden. Die Rechtspflegekommission, als vorberatendes Gremium für die Wahl in solche Funktionen, hat in den letzten Jahren ihr Auswahlverfahren verfeinert. Sie ist durchaus in der Lage, auch Funktionen mit einem komplexen Anforderungsprofil richtig zu beurteilen und kann für die Qualität des Wahlvorschlags an den Kantonsrat garantieren, genauso gut, wie wenn die Auswahl durch die Regierung erfolgen würde. In der Rechtspflegekommission werden durchaus nicht nur parteipolitische Gesichtspunkte, sondern auch fachliche Qualitäten beurteilt, die dann in den Empfehlungen der Rechtspflegekommission ihren Niederschlag finden.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der CVP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Mit der Einführung der eidgenössischen Prozessordnungen wird auf den 1. Januar 2011 das Verfahrensrecht im Zivil- wie auch im Strafrecht gesamtschweizerisch vereinheitlicht. Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens werden die entsprechenden Bestimmungen des kantonalen Verfahrensrechts nicht mehr anwendbar sein. Diese sind somit aufzuheben, und die kantonale Regelung ist mit kantonalen Einführungsgesetzen vorzunehmen. Insofern ist das Eintreten auf diese Vorlagen zwingend und notwendig. Für die CVP-Fraktion ist das Eintreten aber auch deshalb zu befürworten, weil sie hinter den heute zu beratenden Vorlagen stehen kann. Die seitens der Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe waren in den Grundzügen unbestritten und konnten in den Kommissionsberatungen noch verbessert werden. So konnten im Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung der nicht überzeugende Begriff «Assistenzstaatsanwalt» für die heute als Sachbearbeiter mit untersuchungsrichterlichen Befugnissen tätigen Mitarbeitenden auf die richtige Definition zurückgeführt werden.

Mit dem Kommissionsvorschlag, dass der Kantonsrat den Ersten Staatsanwalt und die leitenden Staatsanwälte wählt, soll nicht der Regierung das Misstrauen über die bisher erfolgten Wahlen ausgesprochen werden, sondern es soll den obersten Organen für die Strafverfolgung auch die entsprechende Bedeutung und Wertschätzung gegeben werden.

Wieder eingeführt werden soll die Meldepflicht für Behörden und Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung, wenn ihnen Kapitalverbrechen bekannt geworden sind. Nicht einsichtig ist für die CVP-Fraktion, dass mit dem Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung mehr Stellen in der Strafjustiz notwendig sein sollen, als dies im Aufgaben- und Finanzplan vermerkt ist. Mit der Reorganisation der Organe der Strafrechtspflege (Redor) sind die organisatorischen Voraussetzungen bereits geschaffen worden. Die Stellenfrage ist jedoch nicht unmittelbarer Gegenstand dieser Vorlage.

Die CVP-Fraktion steht auch hinter dem Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung und dem III. Nachtrag zum Anwaltsgesetz sowie den Änderungsanträgen der vorberatenden Kommission.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Dem Antrag der vorberatenden Kommission ist zuzustimmen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die vorberatende Kommission nicht etwas völlig Neues beantragt, sondern dass sie auf eine frühere, jahrzehntelange Praxis zurückkommen will. Sie will, dass der Kantonsrat erneut Wahlinstanz für die obersten Staatsanwälte ist. Neu käme lediglich die Wahl des leitenden Jugendstaatsanwalts hinzu, der, wenn ich mich richtig erinnere, damals nicht durch das Parlament gewählt wurde.

Es gibt gute Gründe, die obersten Strafverfolgungsbehörden genauso durch diesen Rat wählen zu lassen wie die obersten Richter. Ich nehme die Ansicht, dass die Wahl der obersten Richter durch den Kantonsrat nicht richtig sei, zur Kenntnis. Es ist aber überhaupt nicht ersichtlich, weshalb das Anforderungsprofil und das Auswahlverfahren für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen völlig verschieden ist von dem der höchstrichterlichen Funktionen. Anders ausgedrückt heisst das, dass der Ankläger über die nötige Kompetenz verfügt, doch beim Richter spielt diese keine Rolle. Das ist wohl kaum der Sinn der Sache. Ich rufe all diejenigen, die gegen eine Rückübertragung sind, zu einer Stellungnahme auf, ob denn das frühere System so schlecht war. Das würde ja letztlich bedeuten, dass diejenigen, die dieser Rückübertragung nicht zustimmen, wenigstens der Hälfte der leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die noch nach dem alten System gewählt wurden, ihre Fähigkeit zur Ausübung ihres Amtes absprechen. Keine Wahlinstanz ist bekanntermassen vor Pannen gefeit. Es ist kein Misstrauen gegen die Regierung, sondern eine Feststellung, dass auch im heutigen System nicht alle Wahlen nur glücklich waren.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Ich masse mir nicht an, im Namen der Lehrerschaft zu sprechen, sondern rede nur als betroffener Lehrer. Der schriftlich vorliegende Antrag zu Art. 30 Abs. 2bis (neu) ist abzulehnen, weil damit gar nichts gewonnen wird. Die jetzt gehandhabte Regelung genügt vollauf. Ich bin nicht der Meinung, dass die Lehrerinnen und Lehrer in jedem Fall über die Straftaten ihrer Schülerinnen und Schüler informiert werden müssen. Damit wird den Lehrerinnen und Lehrern nur eine weitere Verantwortung aufgebürdet. Auch wird damit nichts für die Sicherheit erlangt, denn solche Massnahmen werden nach meiner Ansicht von Personen verlangt, die nicht im täglichen Schulleben stehen. Es wird keine einzige Straftat dadurch verhindert. Das Geschehen in München hätte sowieso nicht verhindert werden können, denn solche Taten laufen innerhalb sehr kurzer Zeit ab. Mit diesem Artikel wird gar nichts gewonnen; ich halte die Regelung, so wie die Staatsanwaltschaft sie jetzt handhabt, für genügend. Die Staatsanwaltschaft soll entscheiden, wann sie eine Information für wichtig und richtig hält, damit die Schule entsprechend handeln kann. Das genügt.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der GRÜ-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Die Zivil- und Strafprozessordnungen wurden in mehrjähriger Arbeit auf eidgenössischer Ebene überarbeitet. Deshalb freut es die St.Galler, dass der Anpassungsbedarf in unserem Kanton relativ gering ausfällt. Das heisst auch, dass Regierung und Parlament in den vergangenen Jahren sehr vorausschauend gearbeitet haben. Nach der Vereinheitlichung der Straf- und Zivilstrafprozessordnung hat der Kanton nur noch wenige Freiheiten, u.a. im Bereich der Gerichtsorganisation, zu regeln. Die GRÜ-Fraktion wird im Laufe der Detailberatung mehrheitlich den Vorschlägen der vorberatenden Kommission folgen. Einzig bei Art. 14 will sie an der heutigen Regelung festhalten, nämlich dass weiterhin die Regierung den Ersten Staatsanwalt bzw. die Erste Staatsanwältin wählen soll. Bezüglich des Art. 44bis unterstützt die GRÜ-Fraktion grossmehrheitlich den Kommissionsantrag für die Anzeigepflicht von Amtspersonen bei Verbrechen gegen Leib und Leben usw. anstatt des Anzeigerechts. Für einen definitiven Entscheid wird sie aber die Diskussion im Parlament verfolgen und wird je nach Verlauf eventuellen Vorschlägen aus der Mitte des Rates folgen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Wild-Neckertal und Schrepfer-Sevelen haben deutlich aufgezeigt, welches Dilemma hinter dieser generellen Anzeigepflicht steht. Die Frage dieser generellen Anzeigepflicht von Mitarbeitern des Staates und der Gemeinden war bereits bei den letzten Nachträgen zur Strafprozessordnung immer wieder ein Diskussionspunkt. Bei der letzten Revision wurde in Respektierung ausgewiesener Opferinteressen beschlossen, die Anzeigepflicht aufzugeben, und dieser Entscheid damit ins Ermessen des einzelnen Mitarbeiters gestellt. Insbesondere bei Vormundschaftsbehörden, wie von Wild-Neckertal aufgezeigt wurde, aber auch in der Schule kann eine Strafanzeige bei unklarer Verdachtslage kontraproduktiv sein. In der Kommission setzte sich dann aber die Meinung durch, dass bei schweren Offizialdelikten wiederum eine generelle Anzeigepflicht für Mitarbeitende der Staatsverwaltung statuiert werden muss. Die Kommission stimmte dem Antrag mit 15:2 Stimmen zu. Ich kann hier nur noch erwähnen, dass sich auch der Bundesgesetzgeber mit dieser Frage auseinandersetzen musste, als er das Opferhilfegesetz schuf, und er hat damals diese neuen Opferberatungsstellen, die es in allen Kantonen gibt, mit einem Berufsgeheimnis ausgestattet, der Bundesgesetzgeber hat damals erkannt, dass Beratung auch zum Opferschutz gehört und dass eine Anzeigepflicht auch dazu führen kann, dass notwendige Beratung nicht in Anspruch genommen wird, und das kann ja auch nicht im Interesse der Opfer sein.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Ich kann da auch noch ein bisschen zur Verwirrung beitragen. In der vorberatenden Kommission wurde das nicht explizit diskutiert, aber die Variante der CVP-Fraktion scheint mir jetzt auch noch nicht in allen Teilen das Gelbe vom Ei zu sein. Zum einen spricht er davon, dass strafrechtliche Massnahmen nicht notwendig seien, z.B. mit Busse geahndet werden - eine Busse ist für mich auch eine strafrechtliche Massnahme, Bussen gehören zum Sanktionenkatalog des Strafgesetzbuches - so müsse dann trotzdem weitergemeldet werden. Und beim Opportunitätsprinzip gibt es eben auch unterschiedliche Vorstellungen, wann man von Opportunität spricht und wann nicht. Eine Variante ist tatsächlich die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen. Dann besteht ein eröffnetes Verfahren, das natürlich auch weitergeleitet werden kann. Vielleicht macht es Sinn, diesen Aspekt in der Kommission noch etwas genauer anzuschauen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: In der vorberatenden Kommission wurde die Informationspraxis der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Gemeinden oder Einbürgerungsräten ebenfalls diskutiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass auch Schulbehörden und Lehrerschaft über strafbares Verhalten von Kindern konsequent informiert werden müssten. Seitens des Ersten Staatsanwaltes wurde darauf hingewiesen, dass die Informationspraxis mit den Schulbehörden geregelt und unproblematisch sei. Die Staatsanwaltschaft wäge jeweils im Einzelfall ab, ob aufgrund des vorgeworfenen, strafbaren Verhaltens eine Reaktion bzw. eine nichtstrafrechtliche Massnahme seitens der dafür verantwortlichen Behörden erwartet werden müsse. Bei gewalttätigem Verhalten werde bei der Schulbehörde abgeklärt, ob die betreffende Person bereits früher durch ähnliches Verhalten aufgefallen sei. Es mache aber keinen Sinn, jede Bagatelle, z.B. einen kleinen Diebstahl ausserhalb des Schulareals, den Schulbehörden zu melden. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass mit der nun vorgeschlagenen Formulierung über die heute geltende gesetzliche Regelung hinausgegangen werde. Am Ende wurde der Präsident der vorberatenden Kommission explizit beauftragt, im Rahmen der Berichterstattung darauf hinzuweisen, dass Gemeinden über Strafverfahren mittels ihrer aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit auch Volks-, Berufs- und Mittelschulen über Ermittlungshandlungen und Strafverfahren gegen Schülerinnen und Schüler oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu informieren haben, wenn dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe notwendig ist. Diesem Auftrag bin ich jetzt nachgekommen. Der Antrag Ritter-Altstätten ist nicht explizit diskutiert worden, sie beinhalten aber zumindest teilweise das, was ich jetzt in dieser Berichterstattung ausgeführt habe.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

legt seine Interessen als Mitglied der Polizei offen. Der Antrag Wild-Neckertal und der Antrag der SP-Fraktion sind abzulehnen.

Ich möchte meine Interessen offenlegen. Ich bin Mitarbeiter der Kantonspolizei und ich bin Mitglied der Jugendschutzkommission der Gemeinde Oberriet, welche zusammen mit der Vormundschaftsbehörde solche Fälle behandelt. Wild-Neckertal, ich verstehe Ihr Anliegen sehr gut. Ich kann es jedoch nicht verstehen, dass der Staat bei einem Delikt, das er früher konsequent als Offizialdelikt verfolgte, es nun freistellen will, ob jemand die Anzeige möchte oder nicht, wenn die Justiz davon Kenntnis erhält. Dies sind schwere Straftaten und keine Bagatellfälle. Das Wegkommen von der Anzeigepflicht könnte nicht nur, wie Sie sagen, dem Opferschutz nicht gerecht werden, sondern man könnte auch klar von einem Täterschutz sprechen. Schrepfer-Sevelen, wir haben das in der Kommission schon ausgiebig diskutiert, es geht manchmal nicht um den Einzelfall. Oft geht es leider auch darum, einem Täter aufzuzeigen, dass er ein Problem hat. Wenn jetzt die Anzeige nicht bei der Justiz eingeht, besteht die Gefahr, dass der Täter eventuell einfach weitermacht. Die Justiz erhält keine Kenntnis, kann dies nicht verfolgen, und Straftaten, v.a. in diesem schweren Bereich, können nicht verfolgt werden. Verschiedene Vorredner haben es klar gesagt, die Polizei und die Justiz verfolgen Taten nicht einfach gemäss einem Gerücht und eröffnen ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft. Es müssen klare und fundierte Indizien vorhanden sein, und unsere Beamtinnen, die ihre Spezialausbildungen gemacht haben im Bereich der Kindesbefragungen, die legen sehr grossen Wert darauf, dort den möglichst grossen Kindesschutz zu gewähren. Ich selbst war schon bei zwei Verfahren dabei und ich konnte mich selbst davon überzeugen, wie einfühlsam und wie möglichst gut dies gemacht wird. Es ist nicht einfach so, dass es eine rudimentäre Befragung ist wie bei jemand anderem. Es ist die grösstmögliche Kindesschützung, die ich mir zurzeit vorstellen kann.

Aber wir sprechen nicht nur vom Kindesschutz, wir sprechen auch von den Erwachsenen. Die häusliche Gewalt wurde angesprochen, da gibt es einige Fälle, wo massiver Druck ausgeübt wird seitens der Familie, oftmals auch in ausländischen Familien. Da geht es manchmal bei Einsätzen «drunter und drüber», das kann ich Ihnen garantieren. Dass da nichts unternommen wird, weil es jemand nicht will, kann ich einfach nicht verstehen. Ich bitte Sie deshalb, die Anzeigepflicht wieder einzuführen, den Behörden die Möglichkeit zu geben, einen Täter zu verurteilen und die Chance zu haben, dem Täter aufzuzeigen, dass er Hilfe braucht.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Der Antrag Wild-Neckertal und der Antrag der SP-Fraktion sind abzulehnen.

Für die grosse Mehrheit der CVP-Fraktion behindert die Anzeigepflicht einen wirksamen Kindesschutz nicht. Das vorgesehene Gesetz verlangt nämlich die Anzeige erst, wenn Sie, die Behörden und die Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltungen von einer strafbaren Handlung Kenntnis haben und nicht schon, wenn bloss ein Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt. Somit ist wohl im Rahmen des Kindesschutzes ein behutsames und kindesgerechtes Abklären der Vorfälle möglich. Im Rahmen der Abklärungen des Verdachts, bis man zu einem Punkt kommt, wo man sieht, jetzt ist es wirklich eine strafbare Handlung und wir haben Kenntnis, dass es eine strafbare Handlung ist, dann soll es kein Ausweichen mehr geben können, dann muss angezeigt werden, denn es geht hier um Kapitalverbrechen. Die Kindesschutzbehörden können also sehr wohl im bisherigen Sinne arbeiten, und deshalb bitte ich Sie, den Streichungsantrag wie auch den Eventualantrag abzuweisen und den Kommissionsantrag gutzuheissen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Ich bin im Moment nicht überfordert, aber nicht ganz sicher, wie unsere Fraktion in dieser Frage stimmen soll. Einerseits wurde in der vorberatenden Kommission beschlossen, dass es eine klare Informationsregelung geben soll. Andererseits frage ich mich jetzt - ich spreche damit im Prinzip über Art. 30 Abs. 2 Satz 1bis, aber auch indirekt über den Abs. 2bis neu -, ob nicht diese Informationsfrage Grund wäre, sie nochmals zu beraten, also darüber abzustimmen. Mit einer Abstimmung habe ich kein Problem. Allerdings kann es sein, dass die SVP-Fraktion ein unterschiedliches Ergebnis zeigen wird. Ich könnte mir aber auch eine Abstimmung auf dem Zirkulationsweg in der Kommission vorstellen. Es hängt mit der jetzt zur Verfügung stehenden Sitzungszeit, die bereits überschritten ist, und den bestehenden Änderungsanträgen zusammen. Dennoch würde eine Rücküberprüfung in der vorberatenden Kommission aus meiner Sicht Sinn machen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Art. 51 (Verfahrensordnung). Kommissionspräsident: Zu Art. 51 Abs. 3 (neu): Die vorberatende Kommission stimmte einstimmig zu.

Diese Bestimmung kam auf Anregung des Verwaltungsgerichts nach Vorliegen des regierungsrätlichen Entwurfs zustande. Bei Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide des Departementes resp. des Amtes für Justizvollzug zum strafrechtlichen Sanktionenvollzug soll neu die Anklagekammer anstelle des Verwaltungsgerichtes zuständig sein. Bei der Anklagekammer ist zum Sanktionenvollzug tatsächlich wesentlich mehr Sachverstand vorhanden.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Art. 10 [Staatsanwaltschaft c) Zuständigkeit 3. Erster Staatsanwalt]. Kommissionspräsident: In der vorberatenden Kommission wurde die Frage aufgeworfen, weshalb und auf welcher Grundlage der Erste Staatsanwalt neben seiner Tätigkeit für den Kanton St.Gallen auch noch Aufgaben als ausserordentlicher Untersuchungsrichter des Bundes übernimmt. Der Erste Staatsanwalt wies darauf hin, dass er als einer von zwei stellvertretenden eidgenössischen Untersuchungsrichtern gewählt wurde. Er kommt zum Einsatz, wenn eidgenössische Untersuchungsrichter in den Ausstand treten müssen. Die vom Bund ausgerichtete Entschädigung kommt der Staatskasse zu. Der Übernahme eines Straffalles durch den Ersten Staatsanwalt muss die Regierung vorgängig explizit zustimmen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Mit Ausnahme des Geschäfts 22.09.10 ist Eintreten, wenn auch nicht zwingend, so doch logisch und notwendig. Wenn auf 2011 die beiden schweizerischen Prozessordnungen in Kraft treten, müssen, damit das Ganze funktionsfähig bleibt, die Kantone ihre Anschlussgesetzgebung beschlossen haben. Deshalb ist Eintreten auf die beiden Einführungsgesetze für die SVP-Fraktion unbestritten, und sie hält fest, dass Verwaltung und Regierung im Rahmen des eingeschränkten Handlungsspielraums ihre Hausaufgaben gesamthaft gut gemacht haben. In der Detaildiskussion wird sie weitere Ausführungen machen, insbesondere auch zu den neu eingereichten Anträgen aus der Mitte des Rates.

Zum Einführungsgesetz zur schweizerischen Zivilprozessordnung: Bei dieser Vorlage ist der Gestaltungsraum der Kantone sehr klein. Wenn auch höchstrichterliche Grundsatzentscheide zeitlich nicht Rücksicht nehmen auf die Gesetzgebung von kantonaler Verwaltung, Regierung und Parlament, wurde dem grösseren Anpassungsbedarf bei der Verwaltungsrechtsprechung, insbesondere der abschliessenden, in der Botschaft noch nicht enthaltenen kantonalen Zuständigkeiten, nicht unkritisch entsprochen. Die Kommissionsmotion 42.10.01 «Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung»:

«Neugestaltung der Verwaltungsjustiz» ist aus Sicht der SVP-Fraktion aber nicht alleine deswegen ausgewiesen. Die SVP-Fraktion folgt inhaltlich den Beschlüssen der vorberatenden Kommission und entscheidet bei den vorliegenden Anträgen von Kühne-Flawil erst nach dessen Begründung.

III. Nachtrag zum Anwaltsgesetz: Die SVP-Fraktion erachtet die klarere Regelung der Modalitäten und Organisation der Beurkundung als zweckmässig.

Zum Einführungsgesetz der Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung: Die SVP-Fraktion unterstützt die Anträge der vorberatenden Kommission.

  1. Wichtig ist uns v.a. die Rückübertragung der Wahlkompetenz für den Ersten und die leitenden Staatsanwälte an den Kantonsrat;

  2. sodann die Meldepflicht gemäss Art. 44bis. Den Antrag der SP-Fraktion, der jetzt zwischenzeitlich nur noch ein Eventualantrag ist, betrachtet die SVP-Fraktion als verdeckten Aufhebungsantrag. Für sie ist der Antrag Wild-Neckertal ehrlicher, auch wenn sie ihn ablehnt;

  3. bei der Informationspflicht von Straftaten an die Behörden ist sie für bessere Lösungen offen.

Die SVP-Fraktion unterstützt die Kommissionsmotion zur gesamthaften Überprüfung der Verwaltungsjustiz. Dies ist nach bald 50 Jahren seit der Einführung des kantonalen Verwaltungsgerichts zwingend. Sie freut sich, dass die eingebrachte Motion von der vorberatenden Kommission, von der Regierung und bis jetzt auch von allen Fraktionssprechern unterstützt wird.

Noch ein Hinweis: In verschiedenen Kantonen werden Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz durch richterliche Instanzen behandelt. Das hat sich dort offensichtlich bewährt. Die SVP-Fraktion hatte dieses Vorgehen in ihrer Vernehmlassung auch für den Kanton St.Gallen angeregt und in der vorberatenden Kommission andiskutiert. Weil es aber weiterer Abklärungen bedarf, hat sie auf einen Antrag verzichtet. Sie behält sich aber zu gegebener Zeit eine entsprechende Motion vor.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

beantragt im Namen der SP-Fraktion, Art. 44bis Abs. 2 wie folgt zu formulieren: «Keine Anzeigepflicht besteht:

a) bei Personen, die Aussage oder Zeugnis verweigern könnten;

b) beim zuständigen Departement in Entschädigungs- und Genugtuungsbegehren nach dem schweizerischen Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991;

c) wenn überwiegende Interessen des Opfers gegen eine Anzeige vorliegen.»

Im Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung geht es vor allem um die Täter. Das soll so sein, das ist richtig.

Der Art. 44 verpflichtet eine ganz grosse Personengruppe zu einer Anzeige, wenn sie von einer strafbaren Handlung Kenntnis erhalten, nämlich alle Behörden und Mitarbeitende des Staates und der Gemeinde. Widrigenfalls machen sich diese Personen selber strafbar. In den meisten Fällen wird das keine Probleme bereiten, weil die Opfer selber eine Anzeige verlangen.

Bei einer kleinen Gruppe von Opfern kann sich dies anders verhalten, bei Frauen, die das Opfer eines sexuellen Übergriffs wurden. Diese Opfer brauchen durchaus Hilfe. Wenn sie sich aber einer Person aus dem oben erwähnten, sehr grossen Personenkreis anvertrauen, muss diese sofort und ohne Einschränkung zur Anzeige schreiten, auch wenn das Opfer dies unter keinen Umständen will. Auch wenn eine Frau sagt: «Eher bringe ich mich um, als dass ich diese entsetzlichen Dinge bei der Polizei nochmals erzähle.» Das Opfer würde durch diesen Anzeigezwang noch ein zweites Mal zum Opfer gemacht. Wir beantragen deshalb, eine Litera c) anzufügen, welche die Interessen dieser Opfer schützt.

Wer entscheidet, ob eine Anzeige erfolgt? Wir meinen ganz klar, die betroffene Person soll entscheiden. Weshalb sollte man ihr diese Selbstverantwortung abnehmen und stattdessen eine staatliche Vorschrift erlassen im Sinne von «der Staat weiss besser als du, was gut für dich ist»? Weiss er besser, dass es für eine vergewaltigte Frau gut ist, dass sie ihre ganze Geschichte vor der Polizei erzählen muss? Und vor Gericht? Sexuelle Gewalt lässt sich nur sehr schwer beweisen. Am Ende gibt es dann noch einen Freispruch für den Täter, weil die Beweislage nicht genügt. Zu wessen Wohl soll das sein?

Doch wenn man Zweifel hat, ob diese Person aus freien Stücken auf eine Anklage verzichtet? Nun, dann besteht immer noch die Möglichkeit einer Anzeige von dritter Seite, nur erfolgt sie aus Erwägungen heraus und nicht automatisch und unfreiwillig. Ich bin mit meiner Vorrednerin Wild-Neckertal einer Meinung, ein Recht soll bestehen bleiben, eine Pflicht lehnen wir ab. Ob Sie dem Antrag Wild-Neckertal zustimmen oder dem moderateren der SP-Fraktion, spielt für uns keine Rolle.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Ratspräsidentin: Art. 78bis (neu) geht an die vorberatende Kommission zurück.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Ich bin etwas erstaunt, dass jetzt Kommissionspräsident Fässler-St.Gallen der Regierung vorwirft, sie habe nicht das Gelbe vom Ei produziert, nachdem ich eben meinen Satz aus Art. 7bis aus der hier und heute geltenden Strafprozessverordnung mehr oder weniger abgeschrieben habe. Ich als Rheintaler meine, dass man unserer Regierung etwas mehr Respekt zollen sollte. Ich weise darauf hin, dass ich nicht Busse im strafrechtlichen Sinne gemeint, sondern von der Bussenerhebung auf der Stelle, der Ordnungsbusse, geschrieben habe.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Ratspräsidentin: Das Präsidium sieht eine Eintretensdiskussion zu allen drei Geschäften vor.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Die SP-Fraktion nimmt befriedigt zur Kenntnis, dass es endlich gelungen ist, sowohl im Zivilprozess als auch im Strafprozess eidgenössische Prozessgesetze zu schaffen. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zu mehr Rechtssicherheit geleistet. Föderalismus macht dort Sinn, wo auf unterschiedliche Ausgangslagen und Kulturen Rücksicht genommen werden muss. Dies ist bei den Prozessordnungen aber nicht der Fall, da das materielle Straf- und Zivilrecht schon lange schweizweit einheitlich ist. Nachdem wesentliche Anliegen der SP-Fraktion aus dem Vernehmlassungsverfahren in den Entwurf aufgenommen worden sind, kann das Eintreten kurz gefasst werden. Die wesentlichen Regelungen zum Zivilprozess finden sich nun in der eidgenössischen Zivilprozessordnung. Den Kantonen bleibt kein grosser Spielraum mehr für eigene Regeln. Die nun vorgeschlagenen Zuständigkeiten sind sachgerecht. Richtig ist auch der Kommissionsvorschlag, dass neu das Versicherungsgericht für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung vorzusehen ist. Mit Befriedigung nimmt die SP-Fraktion zur Kenntnis, dass bei Scheidungen die unentgeltliche Prozessführung für Mediationen durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gewährt werden kann. Damit kann sichergestellt werden, dass die Mediation, die in der schweizerischen Zivilprozessordnung nun als Alternative zum staatlichen Schlichtungsverfahren explizit erwähnt wird, auch bei Prozessbedürftigkeit zur Anwendung gelangen kann.

Zum Anwaltsgesetz: Die vorgeschlagene Einführung eines Registers der Notare ist sachgerecht. Die SP-Fraktion kann gut damit leben, dass künftig auch angestellte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Unterschriften beglaubigen dürfen.

Die SP-Fraktion begrüsst auch die Vereinheitlichung des Strafprozessrechts. Die Strafprozessordnung ist ein Gesetz, das zwangsläufig schwerwiegend in die Rechte des Einzelnen eingreifen kann. Wesentlich ist es daher, dass den repressiven Teilen auch gut ausgebaute Verteidigungsrechte gegenüberstehen, damit eine rechtskonforme und verhältnismässige Anwendung des Strafprozessrechts sichergestellt wird. Garantiert werden muss auch weiterhin die Unabhängigkeit der Justiz und auch der Strafverfolgungsorgane. Es darf nicht sein, dass die Politik auf einzelne Verfahren oder die Rechtsprechung Einfluss zu nehmen versucht. Dazu gehört nach unserer Beurteilung auch, dass die Wahl der Ersten Staatsanwältin oder des Ersten Staatsanwalts sowie der leitenden Staatsanwältinnen und der leitenden Staatsanwälte nicht nach politischen, sondern nach fachlichen Kriterien zu erfolgen hat.

Nicht einverstanden ist die SP-Fraktion mit der Wiedereinführung der Anzeigepflicht durch Staatsangestellte bei schweren Delikten. Die aktuelle Regelung überzeugt mehr und ermöglicht, dass berechtigte Opferinteressen mitberücksichtigt werden können. Sie wird deshalb einen Antrag stellen.

Eine funktionierende Justiz ist ein wesentlicher und nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Eine funktionierende Justiz darf auch etwas kosten. Effizienz und Kostenbewusstsein dürfen nicht zulasten der Verfahrensrechte gehen. Sparen bei der Justiz kann kontraproduktiv sein. Vor allem die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung wird zu einer Mehrbelastung von Strafverfolgung und Gerichten führen. Ebenso ist damit zu rechnen, dass die beschlossenen Aufstockungen beim Polizeikorps zu Mehrbelastungen bei der Staatsanwaltschaft und den Gerichten führen. Die SP-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass den Strafverfolgungsorganen und den Gerichten die für eine gute Aufgabenerledigung nötige Personalkapazität zur Verfügung steht.

Zu den grauen Blättern: Die SP-Fraktion unterstützt grundsätzlich den Antrag von Wild-Neckertal zur Streichung von Art. 44. Die SP-Fraktion versteht ihren Antrag als Eventualantrag.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Ratspräsidentin, stellt Eintreten auf alle drei Vorlagen fest.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlagen ist einzutreten.

Mit der Schweizerischen Zivilprozessordnung wird das Zivilrecht in der gesamten Schweiz nach einheitlichen Regeln durchgesetzt werden können. Das bedeutet für die Rechtsuchenden, dass die Gerichtsverfahren transparenter und berechenbarer werden. Bereits seit 1. Juni 2009 entspricht die st.gallische Gerichtsorganisation den Vorgaben der schweizerischen Zivilprozessordnung. Das kantonale Einführungsgesetz kann sich demgemäss darauf beschränken, die Zuständigkeiten der gerichtlichen Behörden festzulegen. Der Spielraum für die Kantone ist aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben sehr bescheiden. Der Anpassungsbedarf hält sich in Grenzen. Die FDP-Fraktion begrüsst es, dass die schweizerische Zivilprozessordnung ohne Änderungen bei der Gerichtsorganisation umgesetzt werden kann. Das im Hinblick auf die schweizerische Zivilprozessordnung angepasste Gerichtsgesetz enthält nur noch Bestimmungen zur Organisation, was die FDP-Fraktion im Sinne der Schaffung von klaren Strukturen unterstützt. Nachdem mit dem Einführungsgesetz zu den Schweizerischen Straf- und Zivilprozessordnungen die st.gallische Rechtspflege auf den neuesten Stand gebracht werden kann, sind aus Sicht der FDP-Fraktion Zeit und Notwendigkeit gekommen, auch die gerichtliche Verwaltungsrechtspflege zu überprüfen. Sie unterstützt deshalb die von der vorberatenden Kommission dazu eingereichte Motion.

Im Weiteren tritt die FDP-Fraktion geschlossen auf das Einführungsgesetz zur schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung ein. Auch hier ist der Kanton St.Gallen gut auf die Umsetzung dieses Bundeserlasses vorbereitet. Er hat die Organisation der Strafverfolgungsbehörden schon in den Jahren 1998/1999 umfassend umgestaltet und das Staatsanwaltschaftsmodell eingeführt. Dieses Modell entspricht der schweizerischen Strafprozessordnung, so dass keine grundsätzlichen organisatorischen Anpassungen erforderlich sind. Der Handlungsspielraum ist ohnehin recht gering. Für die FDP-Fraktion ist wichtig, dass diese Vorlage nicht weiter als der Bundesrechtsgeber geht, dass an Bewährtem festgehalten wird und v.a. auch, dass die hohe Qualität der Strafverfahren gehalten werden kann. Schliesslich sollen die beteiligten Behörden, Polizei, Staatsanwaltschaft, Zwangsmassnahmengerichte, Strafgerichte und Anklagekammer in die Lage versetzt werden, ihre Arbeit mit hoher Professionalität und Effizienz zu erledigen. Dass die Jugendanwaltschaften einem gesondert zu wählenden leitenden Jugendanwalt bzw. einer leitenden Jugendanwältin unterstehen und führungsmässig neu organisiert werden sollen, wird von der FDP-Fraktion ebenfalls begrüsst. Für uns ist dabei wichtig, dass diese Neuregelung ab 1. Januar 2011 umgesetzt wird. Auf die wesentlichen Änderungen, die in der vorberatenden Kommission diskutiert und beschlossen wurden, werde ich im Rahmen der Spezialdiskussion näher eingehen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

(im Namen der Mehrheit der FDP-Fraktion): Der Antrag Wild-Neckertal und der Antrag der SP-Fraktion sind abzulehnen.

Güntzel-St.Gallen hat es erwähnt, es ist in der Tat kein einfaches Thema, das hier nun diskutiert wird. Dennoch und nach Abwägung aller Aspekte, die hier zu beachten sind, ist eine Mehrheit der FDP-Fraktion der Auffassung, dass die Anzeigepflicht, so wie sie die Kommission beantragt, wieder eingeführt werden muss. Ich kann zur Begründung im Wesentlichen auf die Argumente verweisen, die meine Vorredner, insbesondere Güntzel-St.Gallen oder auch Kühne-Flawil, eingebracht haben. Auch wir gewichten den Strafverfolgungsanspruch des Staates in diesen sehr schweren Fällen, wie sie nun in Art. 44bis aufgezählt werden, sehr hoch und sind der Meinung, dass hier dieser Strafverfolgungsanspruch durchgesetzt werden muss. Über die Formulierung, Kühne-Flawil hat auch darauf hingewiesen, in Art. 44bis ist auch unseres Erachtens dem Opferschutz hinreichend Rechnung getragen.

In diesem Sinne ersuche ich Sie um Abweisung des Antrages Wild-Neckertal, aber insbesondere auch für den Eventualfall des Antrags Schrepfer-Sevelen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Zum schriftlich vorliegenden Antrag der CVP-Fraktion zu Art. 30 Abs. 2bis (neu):

Ich spreche als Sprachrohr für die Lehrkräfte. Vor dem Hintergrund zunehmender Gewalt zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrlingen, aber auch gegen Lehrerinnen, Lehrer und andere Erwachsene sowie angesichts grundloser Übergriffe von Gruppen Jugendlicher auf beliebige, wehrlose Einzelpersonen besteht Handlungsbedarf. Mit dem neuen Jugendstrafgesetz kann in diesem Bereich etwas bewegt werden, was einer Forderung von vielen Lehrerinnen und Lehrern entspricht und einen gewissen Schutz bringen würde. Der Vorfall in München, bei dem drei Schüler während eines Klassenlagers fünf Opfer verprügelt haben, hat die Frage aufgeworfen, weshalb die Lehrpersonen nicht über die Vorstrafen der Jugendlichen informiert waren. Der Schutz der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, aber auch der Gesellschaft als solche, ist massiv zu verstärken. Namentlich Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer sind in ihrer wichtigen Aufgabe zu unterstützen. Sonst wird es in der Schweiz je länger je mehr Probleme geben, überhaupt noch geeignete Pädagogen und Berufsausbildner zu finden. Daneben geht es aber auch um den Schutz der Mitschülerinnen und Mitschüler und letztlich um den Schutz von Erwachsenen vor eventuellen Übergriffen. Es muss deshalb in Zukunft möglich sein, dass Klassenlehrer auf allen Stufen, auch während der Ausbildung, von den Behörden über Straftaten informiert werden. Nur so ist gewährleistet, dass Lehrerinnen, Lehrer sowie Lehrmeisterinnen und Lehrmeister ein realistisches Bild ihrer Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge erhalten und die entsprechende Verantwortung (z.B. in Schullagern, bei auswärtigen Unterrichtsveranstaltungen oder Reisen) übernehmen können. Diese Massnahmen dienen nicht nur den Lehrerinnen und Lehrern, sondern auch dem Schutz der Mitschülerinnen und Mitschüler sowie weiteren Personenkreisen. Mit dem Art. 30 Abs. 2bis (neu) bestünde die Möglichkeit, dass die Strafverfolgungsbehörden eine Informationspflicht gegenüber den Lehrpersonen und den Schulen hätten.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Art. 14 [Staatsanwaltschaft d) Wahl]. (im Namen der FDP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Bei diesem Punkt ist die vorberatende Kommission anderer Auffassung als die Regierung und hat deshalb einen Antrag gestellt. Dieser sieht vor, dass die Erste Staatsanwältin oder der Erste Staatsanwalt, die leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die leitende Jugendanwältin oder der leitende Jugendanwalt neu vom Kantonsrat gewählt werden sollen. Die Regierung beantragt das Festhalten am Entwurf. Die FDP-Fraktion beantragt ebenfalls Festhalten am Entwurf der Regierung, das heisst, sie lehnt den Antrag der vorberatenden Kommission ab. Ihrer Meinung nach ist die Argumentation der Regierung schlüssig. Die Wahl der oben erwähnten Funktionen durch die Regierung hat sich bewährt und hat nie zu Unstimmigkeiten geführt. Die Begründung vermehrter Wertschätzung gegenüber diesen Personen ist für die FDP-Fraktion nicht stichhaltig. Eine solche Begründung hat nichts damit zu tun, ob nun der Kantonsrat oder die Regierung diese Personen wählt. Hingegen sprechen sachliche Gründe für die Wahl durch die Regierung. Wie die Regierung ausführt, ist das gegenüber früher deutlich gestiegene Anforderungsprofil sehr komplex geworden, und der Kreis möglicher Kandidatinnen und Kandidaten muss möglichst gross sein. Es sollen insbesondere auch Kandidatinnen und Kandidaten aus anderen Kantonen oder parteiungebundene Personen bei entsprechender Eignung in Frage kommen und gewählt werden können. Dabei ist zu bedenken, dass es dabei neben der fachlichen auch um die führungsmässige Eignung geht.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen.

Die jüngeren Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nur noch zu einem ganz kleinen Teil politisch gebunden und zu einem noch viel kleineren Teil auch politisch aktiv, und zwar zu Recht. Parteipolitische Beteiligung verträgt sich mit der Funktion der Staatsanwältin bzw. des Staatsanwalts, die der Neutralität verpflichtet ist, relativ schlecht. Die politische Haltung sollte also nur eine untergeordnete Rolle spielen; ungebundene Bewerber und Bewerberinnen sollten die gleichen Chancen haben wie Mitglieder einer politischen Partei. Bei der Wahl neuer Leitungspersonen muss die fachliche Autorität im Vordergrund stehen. Im Weiteren spielt es eine wichtige Rolle, ob die Kandidatinnen und Kandidaten mit den Verhältnissen in der Strafrechtspflege, allenfalls auch im Kanton St.Gallen, vertraut sind und inwiefern sie in ihren Ämtern akzeptiert würden. Aufgrund einer einheitlichen Prozessordnung ist künftig vermehrt damit zu rechnen, dass auch Fachleute aus andern Kantonen sich für Leitungsfunktionen im Kanton St.Gallen interessieren werden. Das Wahlgremium sollte also die Verhältnisse der Schweizer Strafjustiz und der St.Gallischen Rechtspflege kennen. Externe Bewerberinnen und Bewerber sollten nicht vor einer Kandidatur abgeschreckt werden, weil sie im Kanton politisch unbekannt sind. Die vielfältigen Führungsaufgaben und die fachlichen Anforderungen machen ein professionelles Auswahlverfahren, z.B. mittels Assessment, erforderlich, sofern die Bewerber und Bewerberinnen dem Wahlorgan nicht persönlich und durch ihre Arbeit bekannt sind.

Die SP-Fraktion ist der Ansicht, dass der Kantonsrat eine allfällige Wahl nicht auf diese Weise vorbereiten könnte. Beim bisherigen Auswahlverfahren liegt die Federführung beim Generalsekretariat des Sicherheits- und Justizdepartements. Regierungsrätin und Generalsekretär sichten in Zusammenarbeit mit dem Ersten Staatsanwalt die Bewerbungen, organisieren allfällige Assessments und holen entsprechende Referenzen ein. Dabei sind die Kontakte zu anderen Staatsanwaltschaften wichtig; künftig dürften diese noch wichtiger sein, um auch auf dem Berufungsweg zu geeigneten Bewerbungen zu gelangen. Die Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartements unterbreitet dann der Regierung einen begründeten Wahlvorschlag. Dieses Auswahlverfahren ermöglicht es, die zentralen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und es gibt auch Bewerberinnen und Bewerbern eine Chance, die zwar innerhalb der Strafjustiz, nicht aber im Kanton St.Gallen bekannt sind.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Zu Güntzel-St.Gallen: Es gibt einen Unterschied: Bei der Reorganisation im Jahre 2000 wurden die Aufgabenbereiche der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stark angepasst. Zuvor waren diese vorwiegend Rechtsmittel- und Aufsichtsbehörde ohne Führungsfunktion, durchaus vergleichbar mit einem Gericht. Neu sind die leitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Amtsleiter mit Vorgesetztenfunktion. Bei der Besetzung der Stellen kommt es also wesentlich auf die Führungsqualitäten, auf eine lange Erfahrung in der Strafrechtspflege und auf die fachliche Akzeptanz der Betroffenen an.

Vor gut zwei Stunden bekam eine junge Kandidatin der CVP-Fraktion die Chance, neu am Versicherungsgericht tätig zu sein. Zu Kühne-Flawil: Ich glaube nicht, dass eine jüngere Staatsanwältin oder ein jüngerer Staatsanwalt ebenfalls die Chance erhalten hätte, durch dieses Parlament zur leitenden Staatsanwältin bzw. zum leitenden Staatsanwalt gewählt zu werden, wenn sie oder er politisch ungebunden wäre. Deshalb erachte ich es als wichtig, dass die fachlichen Qualitäten herausgehoben werden. Auch wenn die Rechtspflegekommission ihre Aufgaben sicher seriös macht, so ist mir nicht bekannt, dass sie beispielsweise Assessments einfordert. Sollte dem aber so sein, dann ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Das aktuelle System, die Wahl der leitenden Staatsanwältinnen bzw. der leitenden Staatsanwälte durch die Regierung, verdient eine Weiterführung. Der Kantonsrat beschränkt sich besser auf seine Kernkompetenzen, die mit Sicherheit nicht bei der Wahl von Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälten liegen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Ratspräsidentin: Die Vorlage ist in 1. Lesung durchberaten und geht zur Vorbereitung der 2. Lesung zurück an die vorberatende Kommission.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Ratspräsidentin: Der Kantonsrat führt die Spezialdiskussion der Vorlage fort.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Art. 44bis (neu) [Anzeigepflicht von Behörden und Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung]. legt ihre Interessen als Mitglied der kantonalen Arbeitsgruppe Kindesschutz offen und beantragt, Art. 44bis zu streichen.

Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass die vorberatende Kommission die Wiedereinführung einer Anzeigepflicht für Behörden und Mitarbeitende des Staates und der Gemeinden in Art. 44bis (neu) vorsieht. Im Jahre 2006 wurde die Anzeigepflicht von diesem Rat in ein Anzeigerecht umgewandelt. Die Regierung hat im Herbst 2009 das Konzept Kindesschutz genehmigt und damit auch den Einsatz regionaler Kindesschutzgruppen bestätigt. Durch den Wegfall der Anzeigepflicht wurde die Arbeit dieser Kindesschutzgruppen erst möglich, oder anders gesagt, wenn die Anzeigepflicht wieder eingeführt wird, können diese ihre wertvolle Arbeit nicht mehr leisten.

Für den Schutz des Kindes sind in erster Linie die Vormundschaftsbehörden zuständig. Die Mitteilungspflicht gegenüber den Vormundschaftsbehörden ist in Art. 50 EG zum ZGB geregelt und gewährleistet, dass Kindesschutzfälle nicht einfach vertuscht werden. Sexuelle Gewalt an Kindern oder Jugendlichen erfolgt in den meisten Fällen durch eine Person, zu der das Kind in einer Beziehung, oft auch in einem Vertrauensverhältnis steht. Kinder und Jugendliche wollen zwar diese Handlungen stoppen, aber oft trotzdem den Täter oder die Täterin schützen. Mit der sofortigen Anzeige an die Strafbehörden kann das Kind nicht geschützt werden. Eine häufige Konsequenz ist, dass die Kinder und Jugendlichen nicht aussagen wollen, weil gegen ihren Willen entschieden wurde. Zudem sind Anzeigen für die Kinder und Jugendlichen extrem belastend. Aufgrund dieser Situation wurde die standardisierte Erstbefragung oder kurz «Steb» aufgebaut, welche auch Bestandteil des Konzeptes ist. Hier werden Kinder durch eine speziell ausgebildete Person befragt und eine Videoaufnahme erstellt. Dadurch muss das Kind seine Aussage nicht immer wieder wiederholen. Dies mit der Zielsetzung, besser abschätzen zu können, ob eine Strafanzeige sinnvoll ist, d.h. zu einer Verurteilung führen kann, und zur Dokumentation der Aussagen für ein allfälliges späteres Strafverfahren.

Die regionalen Kindesschutzgruppen sind niederschwellige Beratungsstellen für Fachpersonen, die mit Kindern arbeiten: Lehrpersonen, Sozialarbeiter, Vormundschaftssekretariate usw. Sie sind zusammengesetzt aus Personen des zivilrechtlichen Kindesschutzes, sprich Vormundschaft, Sozialarbeit, Schule, Schulpsychologie, Psychiatrie, Mütter-Väter-Beratung, Heilpädagogik, Medizin und Justiz. Die ratsuchende Person erhält bei Verdachtsfällen eine Empfehlung dieses kompetenten Gremiums, was nun weiter unternommen werden muss. Es kontrolliert später auch, ob die Empfehlung umgesetzt wurde. Die Definition des Art. 44bis (neu): «Behörden und Mitarbeitende des Staates und der Gemeinden sind zur Anzeige verpflichtet, wenn sie von einer strafbaren Handlung Kenntnis erhalten, die als vorsätzliche Tötung (...) beurteilt werden könnte.» bedeutet, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer, Mitarbeitende von Fachstellen oder die Vormundschaftsbehörde bereits bei einem Verdacht sofort Anzeige erstatten müsste. Die vorgängige Möglichkeit der Konsultation der Kinderschutzgruppe würde also wegfallen, ganz abgesehen davon, dass die Mitglieder der Kinderschutzgruppe, die bei Gemeinden oder beim Staat angestellt sind, diese Pflicht jetzt auch hätten. Das würde zu einer Flut von Verfahren führen. Diese Verfahren kosten viel, führen häufig zu keinen Verurteilungen und dienen nicht dem Kindeswohl. Es sind belastende und aufreibende Verfahren für die Untersuchungsbehörde, weil die Beweislage sehr oft nicht ausreicht für eine Verurteilung.

Von den rund 270 Opferhilfefällen, die von «In Via», der Opferhilfe für Kinder und Jugendliche im Jahr 2009, behandelt wurden, erfolgte nur in rund einem Drittel eine Strafanzeige. In den anderen Fällen war die Beweislage zu wenig klar für eine Strafanzeige, die Kinder und Jugendlichen wollten keine Aussagen machen oder es wurden andere Wege gefunden, wie das Kindeswohl besser geschützt werden konnte. Es ist nicht in jedem Fall sinnvoll, eine Strafanzeige zu machen. Sexuelle Handlungen mit Kindern können oft nicht bewiesen werden. Gerade kleine Kinder oder Kinder mit einer Behinderung gelten oft als nicht glaubwürdig. Weitere Beweise sind kaum vorhanden. Im Strafverfahren geht es nicht in erster Linie um den Schutz des Kindes, sondern um die Beurteilung der Tat und der Verurteilung des Täters. Der vermutliche Täter hat dabei Rechte, die ihm gewährt werden müssen (in dubio pro reo). Wenn das Verfahren nicht zu einer Verurteilung führt, was sehr oft vorkommt, sind die Auswirkungen auf das Opfer äusserst negativ. Die Anzeigepflicht wird wieder dazu führen, dass Personen aus dem Umfeld von Kindern und Jugendlichen lieber nichts wahrnehmen, als mit einem allenfalls unbegründeten Verdacht eine Lawine loszutreten und nichts mehr unter Kontrolle zu haben. Sexuelle Gewalt ist ein Offizialdelikt. Strafverfahren können nicht so einfach wieder eingestellt werden. Die Einführung der Anzeigepflicht ist nicht notwendig. Die schweizerische Straf- und Jugendstrafprozessordnung regelt die Strafverfolgungspflicht in Art. 301 Abs. 1. Abs. 2 sieht vor, dass Bund und Kantone die Anzeigepflicht der Mitglieder anderer Behörden regeln. Es kann jedoch auch davon abgesehen werden. Davon machen andere Kantone, im Bezug auf den Kinderschutz, öfters Gebrauch. Das Kind oder die/der Jugendliche kann nur geschützt werden, wenn sorgfältig und nicht automatisch gehandelt wird. Ein vorsichtiges Vorgehen ermöglicht es eher, einen Täter auch wirklich zu überführen.

Im Kindesschutz ist es wichtig, dass die betroffenen Stellen gut zusammenarbeiten. Auch die Justiz ist ein wichtiger Bestandteil. Sie können davon ausgehen, dass ich jeden Täter hart bestraft sehen möchte.

Ich bitte Sie, im Sinne des Kindesschutzes und damit im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen auf eine Wiedereinführung der Anzeigepflicht zu verzichten. Ein Anzeigerecht besteht bereits in der aktuellen Fassung des EG zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung, und dieses ist wichtig und ausreichend für eine gute Umsetzung des Konzeptes Kindesschutz im Kanton St.Gallen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Der Antrag Wild-Neckertal und der Antrag der SP-Fraktion sind abzulehnen.

Ich hoffe, mich auf wenige Bemerkungen zu diesem sehr delikaten Artikel beschränken zu können.

  1. Die vorberatende Kommission hat es sich nicht leicht gemacht und ist sich der Komplexität der Anzeigepflicht, wie wir sie in Art. 44bis wieder aufgenommen haben, bewusst. Ich betone das «wieder», es ist ja nicht eine Neuerfindung, und ich halte fest, dass die Diskussion darüber doch auf drei Seiten im Protokoll festgehalten wurde. Die vorberatende Kommission musste dabei eine Interessenabwägung vornehmen, nämlich zwischen Gratwanderung im Einzelfall und der Frage, ob Offizialdelikte nicht für jedermann in diesem Staat verbindlich sind, insbesondere für Personen im öffentlichen Dienst.

  2. Ich weise darauf hin, dass aus meiner Sicht und auch in der vorberatenden Kommission so diskutiert und beschlossen, nun die Tatbestände, bei denen eine solche Anzeige verpflichtend ist, sich mit der Aufzählung in der schweizerischen Strafprozessordnung decken, wo über das Zeugenverweigerungsrecht gesprochen oder geschrieben wird.

  3. Alle Bestimmungen in unserem Staat lassen eine gewisse Interpretation zu, und ich meine das hier vorliegend mit dem Begriff «Kenntnis erhalten» von einer solchen vorsätzlichen Tat. Kenntnis erhalten heisst nicht, dass wenn man am Stammtisch aus vierter Hand etwas erfährt, dass das zwingend so sein muss. Wenn ich aber die jetzt erwähnten Fälle Revue passieren lasse, dann geht es ja im Prinzip wirklich um Fälle, bei denen weder Wild-Neckertal noch Schrepfer-Sevelen sagen, aus der Sicht der Zuhörerin bzw. des Zuhörers sei keine Straftat entstanden, aber es sei zunächst abzuwägen, ob hier das Wohl des Opfers nicht einen Verzicht dieser Anzeige zulasse.

Da komme ich namens der SVP-Fraktion zum Schluss, dass Offizialdelikte nicht verhandelbar sind und wir Sie deshalb ersuchen, bei dieser Güterabwägung diesem Aspekt Rechnung zu tragen. Ich darf auch darauf hinweisen, dass die vorberatende Kommission sehr deutlich diesem Antrag zugestimmt hat, nämlich im Stimmenverhältnis von 15:2 Stimmen, also keineswegs ein Zufallsentscheid. Damit ich dann nicht noch ein zweites Mal reden muss, weil ja gestern beim Eintreten Schrepfer-Sevelen gesagt hatte, dass ihr Antrag eigentlich zum Eventualantrag geworden sei, wenn diesem Antrag von Wil-Neckertal nicht zugestimmt werde. Der Antrag Wild-Neckertal ist ehrlich, klar und sagt, was er will bzw. was er nicht will. Ich bitte Sie wie gesagt, diesen abzulehnen, trotz guter Gründe auch für die Position von Wild-Neckertal. Aber ich bitte Sie auf jeden Fall, sollte der Antrag Wild-Neckertal abgelehnt werden, dem Antrag der SP-Fraktion nicht zuzustimmen, denn dann wird der Art. 44bis faktisch aufgehoben, weil bei Art. 44c jede Person, die davon betroffen ist, selber entscheidet, ob es sich um einen wichtigen Fall handelt. Also entweder wollen Sie eine Anzeigepflicht, dann folgen Sie der vorberatenden Kommission, oder Sie wollen sie nicht, dann folgen Sie Wild-Neckertal, aber ich bitte Sie, nicht dem sogenannten Kompromiss von Art. 44c zuzustimmen, die Abschaffung wäre ehrlicher.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Eigentlich habe ich um das Wort gebeten, um nachzuholen, was ich vergessen habe. Ich habe es beim Eintreten gestern erwähnt, Güntzel-St.Gallen hat mir die Aufgabe zwar schon abgenommen, aber ich sage jetzt nochmals in aller Deutlichkeit: Unser Antrag ist ein Eventualantrag. Wenn ich das Wort jetzt aber habe, Ritter-Altstätten, Sie haben sich heute Morgen in höchstem Masse schockiert gezeigt, ich muss sagen, es ging mir nicht anders, als ich vorhin Ihr Votum hörte. Die «Kaltschnäuzigkeit», mit der Sie die Ansicht vertraten, die Verfolgung durch die Strafbehörden sei ein höheres Recht als die Rechte des Opfers, oder wenn Dietsche-Oberriet schlicht bemerkt, ein Vergewaltiger sei einer, der ein Problem habe. Das ist nun wirklich sehr sanft ausgedrückt. Aus unserer Sicht ist klar, das Recht ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Recht.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Art. 78bis (neu) [Übergangsrecht]. Eine Mehrheit dieses Rates hat gestern die Wahl des leitenden Jugendanwalts bzw. der leitenden Jugendanwältin bzw. Staatsanwälte durch den Kantonsrat bestimmt. Für mich gibt es jetzt offene Fragen:

  1. Wir haben die Stelle einer leitenden Jugendanwältin neu geschaffen, Amtsantritt ideal 1. Januar 2011, die Wahl durch das Parlament könnte aber erst auf Beginn der Amtsdauer 2011/2017 erfolgen, das heisst Juni 2011.

  2. Was passiert, wenn jetzt ein leitender Staatsanwalt zurücktritt, wer wählt den neuen?

Ich denke, es wäre ideal, man könnte die offenen Fragen in der Kommission beraten und auch zu einer Lösung kommen, und deshalb stelle ich Antrag, dass diese Fragen zurück in die Kommission gehen und wir dort nochmals beraten. Wir müssen sowieso noch den Artikel, den Ritter-Altstätten gestern gestellt hat, beraten. Ich denke, es wäre eine ideale Lösung, wenn wir auch hier Klarheit schaffen könnten.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

beantragt, Art. 30 Abs. 2 an die vorberatende Kommission zurückzuweisen.

Die Folge ist, dass die 1. Lesung dann zum Art. 30 ausgesetzt wird. Ich meine aber, dass das vernünftig ist, weil dann all diese Aspekte nochmals sauber erörtert werden können. Im Hinblick auf die Aprilsession darf dann auch eine abgestützte Stellungnahme der Kommission erwartet werden.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Auch in der vorberatenden Kommission ist die Wahlzuständigkeit für die Erste Staatsanwältin bzw. den Ersten Staatsanwalt und die leitenden Staatsanwältinnen bzw. die leitenden Staatsanwälte ausführlich diskutiert worden. Die Argumente waren dieselben, die wir eben gehört haben. Bei der Abstimmung stimmte die vorberatende Kommission mit 10:6 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Antrag der vorberatenden Kommission zu.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
22.2.2010Wortmeldung

Art. 29 (Verfahrenssprache). Kommissionspräsident: Auf dem gelben Blatt befinden sich noch Anträge zu Art. 29bis, Art. 29ter und Art. 29quater. Diese Bestimmungen befinden sich andernorts bereits in der aktuellen Strafprozessordnung; sie wurden versehentlich nicht in das Einführungsgesetz überführt. Das hat die vorberatende Kommission nun nachgeholt.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010
23.2.2010Wortmeldung

Kommissionspräsident: Wir haben diese Bestimmung in der Kommission nicht explizit beraten. Ich bin aber mit Klee-Berneck der Auffassung, dass es richtig ist, dass wir diese Lücke, die im Gesetz im Moment noch besteht, in der Kommission noch einmal ansehen. Wir müssen uns im Zusammenhang mit den Informationsrechten und -pflichten ohnehin nochmals treffen, und von daher bin ich bereit, diese Bestimmung in die Kommission zurückzunehmen.

Session des Kantonsrates vom 22. bis 24. Februar 2010