Geschäft: Kantonsratsbeschluss über die Finanzierung von Durchgangsplätzen für Fahrende

Übersicht
KomiteeKantonsrat
Nummer35.09.02
TitelKantonsratsbeschluss über die Finanzierung von Durchgangsplätzen für Fahrende
ArtKR Gesetzgebungsgeschäft
ThemaGrundlagen und Organisation
FederführungBau- und Umweltdepartement
Eröffnung10.3.2009
Abschluss19.4.2010
Letze Änderung9.12.2021
vertraulichNein
öffentlichJa
dringendNein
Dokumente
PubliziertTypTitelDatei
MitgliederlisteKommissionsbestellung vom 20. April 2009
ProtokollProtokoll der vorberatenden Kommission vom 15. Mai 2009
AntragAnträge der vorberatenden Kommission vom 22. März 2010
MitgliederlisteAktuelle Mitgliederliste
ProtokollProtokoll der vorberatenden Kommission vom 22. März 2010
BotschaftBotschaft und Entwurf der Regierung vom 17. März 2009
ProtokollProtokoll der vorberatenden Kommission vom 27. August 200
Beteiligungen
DatumAkteurTitelLetze Änderung
1.8.2019Gremium19.1.2023
Abstimmungen
DatumTitelResultatöffentlich
JaBedeutungNeinBedeutungAbsent / Enthaltung
19.4.2010Eintreten51Zustimmung58Ablehnung11
Statements
DatumTypWortlautSession
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen der GRÜ-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Das ist eine sehr wichtige Frage, die man unterschiedlich anschauen kann, umso weniger macht es Sinn, wenn man in dieser Diskussion, die drei Viertel Jahre oder mehr dauert, wo man völlig unterschiedliche Standpunkte einnimmt, eine Fraktion einfach nicht in die Diskussion miteinbezieht. Ich meine, das ist ein Fehler, ich bin auch überzeugt, dass wir hier im Sinne eines Brückenschlages einen Beitrag hätten leisten sollen. Es war leider nicht möglich. Wir könnten Ihnen jetzt eine Vielzahl von Fragen stellen, es sind ja viele Fragen offen, und wir waren nicht bei der Diskussion dabei. Wir machen das jedoch nicht. Was ich aber sehr deutlich sagen muss: Wir sind für Eintreten auf die Vorlage, wir finden es auch sehr wichtig, dass Sie, Regierungsrat Haag, hier die Federführung übernommen haben, denn vom Präsidenten der VSGP ist schon ausgeführt worden, es geht sonst überhaupt nichts.

Für die Diskussion noch ein weiterer Hinweis: Die Fahrenden waren in den letzten Jahrzehnten und unterschwellig heute in dieser Diskussion immer wieder Sündenböcke, Sündenböcke für sehr vieles, und es steht uns sehr gut an, wenn wir über den Schatten springen, Hand bieten, dass die Fahrenden ihre angestammte Lebensweise weiterhin führen dürfen, wenn sie wollen. Sie wissen ja alle, von diesen 35'000 ursprünglich Fahrenden aus der Schweiz fahren nur noch wenige Leute, und es ist eine Frage des Anstandes, auch vor dem Hintergrund, was alles an diesen Leuten verbrochen worden ist, dass wir jetzt vorwärtsdenken.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

legt seine Interessen als Präsident der VSGP offen. Auf die Vorlage ist einzutreten.

Aus Sicht der Gemeinden ist es lobenswert, wie sich der Kanton St.Gallen für ein Angebot von Fahrendens-Standplätzen engagiert. Ich muss ehrlich eingestehen, obwohl ich sonst nicht zu denen gehöre, die behaupten, die Gemeinden würden eine Aufgabe nicht erfüllen, sondern eher das Gegenteil, aber in dieser Angelegenheit erfüllen sie ihre Aufgabe nicht. Ich bin als Gemeindepräsident im 14. Amtsjahr, und als ich 1979 angefangen habe, war dieses Thema schon relevant. Alle Gemeinden sollten eine Lösung suchen. Dies ist bis heute nicht erfolgt. Und somit ist es folgerichtig, dass der Kanton dieses Konzept erarbeitet hat und nun auch in der Richtplanung umsetzen will. Wenn wir diesem Konzept aus den verschiedenen Gründen, die ich hier bis jetzt gehört habe, nicht zustimmen, dann müssen wir uns in diesem Rat bewusst sein, dass es keine Lösung geben wird. Wenn vielleicht Einzelne glauben, der Präsident der VSGP oder der Vorstand werden dieses Problem noch lösen, dann liegen sie falsch. Es wäre dann das zweite Mal in meiner politischen Karriere, dass ich mich vermutlich weigern würde, ein Problem zu lösen. Entweder löst es nun der Kanton St.Gallen, dieser Rat oder niemand. Ich habe nicht vor, als oberster Hotelier auf Standplätzen für Fahrende aufzutreten, ebenso wenig wie in Durchgangszentren für Asylsuchende. Also, Sie sehen, dieses Anliegen kann nicht delegiert werden und muss nun angegangen und vor allem einer Lösung zugeführt werden. Ich habe das jetzt etwas engagierter getan, als ich das ursprünglich geplant habe, aber ich habe es getan, weil ich im Namen der VSGP der Regierung mehrmals zugesichert habe, dass wir das Vorgehen unterstützen, ich habe dies auch gegenüber Regierungsrat Haag zugesichert, dass die VSGP diese Lösung unterstützt. Ich werde dann die Liste der Gemeindepräsidenten, die Nichteintreten abgestimmt haben, auf die Seite legen, falls es dann trotzdem einmal noch zu einem Auftrag kommen sollte, den werde ich dann aber sehr gerne delegieren.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

Ratsvizepräsident: Ritter-Altstätten tritt in den Ausstand.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

Präsidentin der vorberatenden Kommission: Die Vorlage zum Kantonsratsbeschluss über die Finanzierung von Durchgangsplätzen für Fahrende ist zwar insgesamt nur gerade 11 Seiten dünn, die Sitzungen dazu waren dafür umso zahlreicher und die zusätzlichen Unterlagen umso umfangreicher. Die vorberatende Kommission traf sich insgesamt zu drei Sitzungen: Am 15. Mai 2009 verschaffte Regierungsrat Willi Haag als Vorsteher des Baudepartements zusammen mit Herrn Ueli Strauss, dem Leiter des Amtes für Raumentwicklung und Geoinformation, zunächst einen Überblick über die Vorlage. Als ehemaliger Gemeindepräsident musste er früher selber problematische Situationen mit Fahrenden erleben und plädierte dringend für eine Lösung im Sinne der Vorlage, welche seit Jahren in der Diskussion und vom bisherigen Arbeitsumfang enorm sei. Inhaltlich gilt es zu unterscheiden zwischen verschiedenen Volksgruppen von Fahrenden: Die Roma und Sinti sind im Mittelalter von Indien nach Europa ausgewandert. Die Jenischen haben eine ungeklärte Herkunft, pflegen eine eigenständige Kultur und mit dem «Jenisch» eine eigene Sprache. Zu den Jenischen gehören die schätzungsweise 30‘000 Fahrenden in der Schweiz. Davon sei allerdings nur noch ein kleiner Teil, etwa 3‘000, aktiv Fahrende, welche die Kultur des «Unterwegsseins» aktiv pflegen. Die ursprüngliche Idee der Vorlage war es, diesen Schweizer Jenischen Plätze zur Verfügung zu stellen. 1998 habe die Schweiz das «Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten» ratifiziert und heute würden die Fahrenden in der Schweiz als nationale Minderheit im Sinne dieses Rahmenübereinkommens gelten. Demnach sei die Schweiz verpflichtet, «Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, Sprache, Tradition und ihr kulturelles Erbe zu bewahren». Die fahrende Lebensweise, welche nicht in unsere eigene gewohnte Lebensweise passe, sei ein wesentlicher Bestandteil der Identität der Fahrenden, die es zu bewahren gelte.

Des Weiteren würden nach dem Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung für Minderheiten besondere Schutzansprüche gelten. Art. 8 Abs. 2 BV verbiete die Diskriminierung wegen Herkunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Sprache, sowie auch der Lebensform. Eine starke Beeinträchtigung ihrer Lebensform würden die Fahrenden heute vor allem durch den Mangel an adäquaten Haltemöglichkeiten erleben. Die Schweiz sei schlicht sehr viel kleiner als ihre Nachbarstaaten, und brachliegende Flächen seien im dichtbesiedelten Mittelland selten geworden. Im Jahr 2001 sei im Auftrag der Bundesstiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» vom St.Galler Büro Eigenmann/Rey/Rietmann das Gutachten «Fahrende und Raumplanung» erstellt worden Es werde aufgezeigt, dass in der Schweiz ein akuter Mangel an Haltemöglichkeiten für Fahrende bestehe. Allein im Kanton St.Gallen würden gemäss diesem Gutachten sechs Durchgangsplätze und vier Standplätze benötigt. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass geeignete Zonen und Standorte vorzusehen seien, die den Fahrenden eine ihren Traditionen entsprechende Lebensweise ermöglichten. Sollte sich dafür keine bestehende Zone eignen, sei es Aufgabe der Planungsbehörden, für die Ausscheidung entsprechender Zonen zu sorgen und diese auch rechtlich zu sichern. Bezugnehmend auf das besagte Bundesgerichtsurteil erwarte der Bund seither von den Kantonen, dass diese die benötigten Durchgangs- und Standplätze für Fahrende im Richtplan bezeichneten. Aus der Mitte der vorberatenden Kommission wurde kritisiert:

  • dass das Gutachten, welches einen akuten Mangel an Haltemöglichkeiten aufzeige, auf den Aussagen und dem von den Fahrenden selber definierten Bedarf beruht;

  • dass der für die Vorlage herangezogene Bundesgerichtsentscheid sich lediglich auf eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Fahrenden in der Raumplanung beziehe;

  • dass keine rechtliche Grundlage existiere, welche dem Kanton gerade auch zum Bau und zum Betrieb von Durchgangsplätzen verpflichte;

  • ausserdem wurden die Kosten von ursprünglich insgesamt rund 8,7 Mio. Franken als viel zu hoch kritisiert.

Inhaltlich gilt es zu unterscheiden zwischen Durchgangsplätzen: d.h. Standorten für den kurzfristigen Aufenthalt während der Reisezeit zwischen Frühling und Herbst, und Standplätzen: d.h. Anlagen, die vor allem während der Wintermonate ständig besetzt würden. Heute hätten gemäss Robert Huber, dem Präsidenten der Radgenossenschaft, jedoch viele für den Winter ohnehin eine Wohnung gemietet. Und Transitplätze, welche von ausländischen Fahrenden, welche meist in sehr grossen Konvois verkehrten, auf der Durchreise benutzt würden. Grundsätzlich hätten die politischen Gemeinden das Problem zu lösen, da nach dem geltenden Bau- und Planungsrecht die alleinige Planungshoheit im Kanton St.Gallen grundsätzlich bei den politischen Gemeinden liege. Dem Kanton komme deshalb bei der Schaffung von Durchgangs- und Standplätzen in erster Linie eine koordinative Rolle zu. Bisher seien jedoch sämtliche Bemühungen ergebnislos geblieben. Beim Kanton sei die Einsicht gereift, dass bei den Durchgangsplätzen nur mit Initiative des Kantons mit direktem Einbezug der eigentlich zuständigen Gemeinden und unter Beteiligung der Betroffenen innert nützlicher Frist eine Lösung zu finden sei. Im Frühling 2004 habe deshalb die Regierung eine Konzeptgruppe eingesetzt, welche bis 2006 ein Standortkonzept für Durchgangsplätze vorlegte. Mit dem Standortkonzept wurden:

  • der Bedarf an Durchgangsplätzen;

  • die Standortanforderungen;

  • die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden in Bezug auf die Erstellung der Plätze als auch auf den Betrieb;

  • und weitere Kosten eruiert.

Aus der Mitte der Kommission wurde kritisiert, dass bei einem gesamtschweizerisch definierten Bedarf von insgesamt 30 Plätzen im Kanton St.Gallen ganze sechs davon realisiert werden sollten, also ein Fünftel in einem einzigen Kanton. Gemäss Regierung liessen sich die 30 Durchgangsplätze für die ganze Schweiz nicht schön regelmässig verteilen, weil der Bedarf nicht überall gleich gross sei. Die Regierung erläuterte die Aktivitäten in den anderen Kantonen: In sechs Kantonen sind bisher Richtplananpassungen vorgenommen oder Konzepte erstellt worden, in Liestal sei 2004 ein Durchgangsplatz erstellt worden (allerdings offenbar zu Kosten von nur Fr. 210‘000.–), wie auch in Bonaduz im Juni 2007. Nach dieser Bilanz kam aus der Mitte der Kommission die Feststellung, der Kanton St.Gallen gehe einmal mehr als Musterschüler mit gutem Beispiel voraus, was von den einen als vorbildlich und von den anderen als unnötig beurteilt wurde.

Befürworter sind der Ansicht, dass ein ausreichendes Angebot an Durchgangsplätzen zu einem entspannteren Zusammenleben zwischen Sesshaften und Fahrenden beitragen würde. Das Konzept baue nun auf einem partnerschaftlichen Modell auf: Der Kanton solle das Land kaufen und die Infrastruktur erstellen, währendem der Betrieb der Plätze von den Standortgemeinden übernommen würde. Die Fahrenden würden eine «kostendeckende Miete» bezahlen. Auf Nachfrage aus der Mitte der Kommission wurde geklärt, dass die Miete nur ohne Berücksichtigung der Erstellungskosten kostendeckend sein würde und sein könnte. Die Folgekosten im Sozial- und Gesundheitswesen sollten ebenfalls vom Kanton ausgeglichen werden. Die Verweildauer solle auf einen Monat beschränkt werden. Die Plätze haben in erster Linie für Fahrende mit Schweizer Wohnsitz reserviert zu sein. Dieser Punkt insbesondere führte zu Fragen, Abklärungsbedarf und weiteren Sitzungen. Der Präsident der Radgenossenschaft, Robert Huber, und der Regionalvertreter der Radgenossenschaft für St.Gallen, Bruno Huber, berichteten im Rahmen der ersten Kommissionssitzung über die aktuelle Situation der Fahrenden und standen für Fragen zur Verfügung. Diese Gelegenheit wurde rege genutzt. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass die Schweizer Jenischen grossen Wert darauf legen, von den ausländischen Fahrenden unterschieden zu werden. Sie, die Jenischen, seien Schweizer Bürger, mit einem Schweizer Pass, sie würden Militärdienst leisten und Steuern bezahlen. Die ausländischen Fahrenden würden eine ganz andere Kultur als die Schweizer pflegen. Robert Huber erklärte, dass Schweizer Jenische nicht mit Sinti oder Roma auf dem gleichen Platz lagern könnten. Und in der Zukunft würden, als Folge der Personenfreizügigkeit, immer mehr Roma in die Schweiz kommen. Wenn diese Roma hierbleiben könnten, so Robert Huber, dann würden sie irgendwie sesshaft werden und sich auf den Plätzen anmelden und dann komme es zu einer Vermischung, die für die Jenischen nicht mehr akzeptabel sei und den Jenischen schade. Ein weiteres Problem wurde damit angesprochen: Mit den offenen Grenzen und der (erweiterten) Personenfreizügigkeit seien vermehrt grosse Konvois von ausländischen Fahrenden zu erwarten. Diese Konvois würden ohne Weiteres bis zu 50 Wohnwagen umfassen. Der Transit müsse gemäss Regierung für diese Gruppen möglich sein, es wäre aber wichtig, diese Konvois entlang der grossen Verkehrsachsen (A1 und A13) zu kanalisieren, um Konflikte möglichst verhindern zu können.

Im Rahmen der vorberatenden Kommission wurden die ausserordentlichen Bemühungen der Regierung erfasst und anerkannt. Es herrschte durchaus auch Verständnis für das Anliegen. Die einen waren der Meinung, dass die Schaffung von Plätzen gemäss Vorlage die Situation verbessern würde, andere, dass zusätzliche gut eingerichtete Plätze auch neue Benutzer anziehen würden. Ein gutes Angebot schaffe auch neue Nachfrage. Des Weiteren blieb nach der 1. Sitzung Folgendes unklar: Grundsätzlich sei in der Vorlage vorgesehen gewesen, dass die Durchgangsplätze in erster Linie für Schweizer Fahrende erstellt werden sollten. Ausländische Fahrende könnten aber letztlich gemäss Regierung nicht von den Plätzen abgehalten werden. Dazu wurde festgehalten, dass die Frage der Transitplätze ungelöst sei, irgendwann aber ebenfalls aktuell werde. Damit gebe es jedoch auch wieder unterschiedliche Anforderungen an die Infrastruktur: So sei es beispielsweise für ausländische Fahrende teilweise undenkbar, Toilettenanlagen zu benutzen, deren Ausgänge sich gegen den Platz hin öffnen würden. Dies käme für ausländische Fahrende nie in Frage. Insgesamt wurde festgehalten, dass zahlreiche Fragen geklärt werden müssten. Für die Vorbereitung der 2. Sitzung wurden der Kommission auch umfangreiche Unterlagen zugestellt. Es wurde jedoch bereits in der 1. Sitzung über das Eintreten abgestimmt: Die Kommission beschloss mit 10:2 Stimmen und einer Abwesenheit Eintreten auf die Vorlage. Anschliessend wurden zahlreiche Fragen gestellt. Letztlich wurde ein Antrag auf Verschiebung der Schlussabstimmung (um vorgängig Antworten auf die wesentlichen Fragen zu prüfen) mit 7 zu 6 Stimmen angenommen. Am 27. August 2009 fand die 2. Sitzung statt. Hauptdiskussionspunkt der zweiten Sitzung war die Frage, ob es zulässig sei, eine Beschränkung auf Schweizer Fahrende zu beschliessen. Letztlich könne der Kantonsrat nicht einen Beschluss fassen, der rechtlich nicht durchsetzbar ist, es mache auch keinen Sinn, mit einem solchen Beschluss eine Klage zu riskieren, man wolle die Durchgangsplätze nicht der Rechtsprechung aussetzen.

Nach einer ausführlichen Diskussion über rechtliche Grundlagen, Möglichkeiten und Konsequenzen lehnte die Kommission die Errichtung eines Transitplatzes mit 6:5 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Die Kommission stimmte der Formulierung «nur für Schweizer Fahrende» mit 9:2 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Die Kommission stimmte einem Kürzungsantrag, dass für 5 Durchgangsplätze ein Kredit von 3‘050‘000 Mio. Franken gewährt werde, mit 7 Stimmen zu, dem Antrag der Regierung folgten 2 Kommissionsmitglieder, 4 enthielten sich der Stimme. Anschliessend wurde ein Rückkommensantrag mit 4:2 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt, und in der Schlussabstimmung wurde die Ziff. 1 des Kantonsratsbeschlusses mit 6:4 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Daraufhin wurde nochmals ein Rückkommensantrag gestellt mit dem Ziel, die Zulässigkeit des Einschränkungsbeschlusses «für Schweizer Fahrende» aufzunehmen, prüfen zu lassen. Diesmal nahm die Kommission den Rückkommensantrag mit 8:3 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Anschliessend nahm die Kommission auch den entsprechenden Rückweisungsantrag mit 7:5 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Damit wurde zu dieser entscheidenden Frage ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, und die Kommission traf sich am 22. März 2010 zu einer dritten und letzten Sitzung. Das Gutachten der Universität St.Gallen gab Antworten: Einerseits könnten Durchgangsplätze definitiv nicht allein für Schweizer Fahrende gebaut bzw. reserviert werden. Es bestehe eine Chance für eine Beschränkung der Benutzung von Durchgangsplätzen auf Schweizer Fahrende, falls ein Transitplatz gebaut werde. Daher wurde ein Rückkommensantrag betreffend Ziff. 1 des Kantonsratsbeschlusses gestellt. Dieser wurde mit 7:5 Stimmen bei einer Abwesenheit angenommen. Schlussendlich wurde im Sinne eines Kompromisses der Antrag zu Ziff. 1 Abs. 1 und Abs. 2, wie er heute auf dem gelben Blatt vorliegt, mit 8:5 Stimmen angenommen.

Die Kommission stimmte Ziff. 2 und Ziff. 3 des Kantonsratsbeschlusses ebenfalls mit 8:5 Stimmen zu. In der Schlussabstimmung empfiehlt die Kommission dem Kantonsrat mit 8:5 Stimmen Eintreten auf die VorIage und Zustimmung zum Kantonsratsbeschluss. Abschliessend wurde von der Regierung auf eine entsprechende Frage aus der Mitte der Kommission festgehalten, dass die Frage, in welcher Region die vier Durchgangsplätze und der Transitplatz gebaut werden sollen, offen gelassen würde, der VSGP und die Regionalplanungsgruppen müssten in der Folge entscheiden, gemäss Konzept von 2006 seien Durchgangsplätze im näheren Umkreis der Zentren St.Gallen, St.Margrethen, Buchs, Sargans, Rapperswil-Jona und Wil nötig.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

Auf die Vorlage ist einzutreten.

Ich habe diese Eintretensdebatte sehr aufmerksam verfolgt. Sie entspricht ungefähr den drei Kommissionssitzungen, fast alles ist gesagt und in der Zwischenzeit auch geschrieben worden. Das Problem Durchgangsplätze, das Problem Fahrende, ist ein nichtgelöstes Problem seit Generationen. Und seit Mitte der Achtzigerjahre sind in diesem Rat regelmässig wieder Vorstösse gemacht worden, man hat wieder irgendetwas geschrieben und dann wieder gehofft, wie es Lusti-Uzwil gesagt hat, «Keiner hat etwas gegen die Fahrenden, aber niemand will sie». Wieso will man sie nicht? Die Fahrenden pflegen eine andere Art des Lebens, als wir es uns gewohnt sind. Es ist eine national anerkannte Minderheit, die das Recht hat, ihren Lebensstil zu führen, genauso, wie verschiedene andere Formen des Zusammenlebens heute in der Gesellschaft akzeptiert oder zumindest toleriert werden. Es sind Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die hier leben, die arbeiten, die Steuern zahlen, die auch Militärdienst leisten und stimm- und wahlberechtigt sind. Skepsis bzw. Ablehnung ist auch nicht neu. Schon Ihre Grossväter nach dem Zweiten Weltkrieg haben geglaubt, dass man diese «unsinnige» Art des Lebens unterbinden müsse, und die Schweiz hat deswegen ein trübes Kapitel in der Geschichte noch nicht ganz aufgearbeitet. Das Stichwort «Kinder der Landstrasse» dürfte allen bekannt sein. Hier ging es darum, dass besorgte Bürger den Familien diese Kinder wegnehmen wollten, um ihnen ein «anständiges» Leben zu garantieren. Man hat sie in Heime, in Familien gesteckt. Sie wissen, was daraus geworden ist. Deshalb ist die Situation nach wie vor unverändert: «Keiner hat etwas gegen die Fahrenden, aber niemand will sie». Diese Widersprüche, emotional genährt und gestärkt durch die Tatsache, dass die Fahrenden noch immer fast keine Plätze für ihre kurzfristigen Halte haben und damit gezwungen sind, sich irgendwo und somit illegal aufzuhalten und dadurch laufend mit der Polizei in Konflikt geraten und die Bevölkerung ärgern. Es macht den Anschein, dass Sie diese Widersprüche bewusst weiterpflegen wollen ohne zuweisbare Plätze. Wenn man nicht sagen kann: «Dort habt ihr eine Möglichkeit, euch niederzulassen und dort nicht», werden wir keine Ordnung und keine Lösung erreichen. All das habe ich persönlich als Gemeindepräsident und jetzt als Regierungsrat erlebt und ich bin überzeugt, dass das Problem Fahrende eigentlich mit wenig Aufwand gelöst werden kann. Mit klaren Spielregeln und Zuständigkeiten können wir Ordnung schaffen und damit Emotionen in der Bevölkerung auch abbauen. Gestatten Sie mir jetzt die Frage: Wer hat denn von Ihnen schon persönlich Kontakt mit Fahrenden gehabt? Wer hat schon mit Fahrenden gesprochen? Trotzdem muss ich Ihnen sagen, alle sind informiert, alle wissen ganz genau Bescheid über diese Bevölkerungsgruppe. Ich gestatte mir ein einziges Beispiel meiner vielfältigen Erfahrung: Eines Morgens hatte ich einen Termin beim Schwimmbad, die Angestellte erklärte mir, es seien letzte Nacht wieder Fahrende gekommen. Der ganze Schwimmbadplatz sei belegt. Die nehmen das Schwimmbad in Beschlag, zahlen keine Eintritte, sie duschen nicht nur dort, sie schneiden und färben auch Haare, Unordnung überall. Ich habe das zur Kenntnis genommen, ging nach dem Termin zurück und traf 20 Minuten später auf dem Weg den Bademeister. Ich frage ihn: Haben wir Probleme? Ja, sagt dieser, die Fahrenden sind wieder angekommen, aber ich muss Ihnen sagen, Herr Gemeindepräsident, völlig anständig, korrekt, sie zahlen Eintritte, sie haben Ordnung, wir haben keine Probleme mit diesen Fahrenden. Das innert 20 Minuten am gleichen Ort. Das ist sinnbildlich, wie wir mit dieser Minderheit umgehen. Nun, trotzdem musste der Kanton St.Gallen handeln. Genau dort, wo heute die Kantonsschule Wil steht, wo der Werkhof Schmerikon gebaut wurde, da gab es illegale Standplätze für Fahrende, dort hat man jedoch immer ein Auge zugedrückt. Das Problem der Standplätze ist mit viel Aufwand gelöst worden. Die Fahrenden haben inzwischen alle feste Mietverträge und zahlen wie alle andern die Wohnungsmiete jeden Monat. Damit bleibt jetzt das Problem der Durchgangsplätze. Das haben wir mit der VSGP und den Vertretern der Radgenossenschaft in einem Konzept erarbeitet, das inzwischen von andern Kantonen übernommen worden ist, und gerade wurde im Kanton Zug von SVP-Regierungsrat Tännler in der gleichen Höhe ein solcher Platz geschaffen, weil er gesagt hat, es muss eine Lösung geben, man kann nicht nur verbieten. Wir wollen eine klare Regelung.

Was heisst das? Der Kanton baut einige Zonen und baurechtskonforme Durchgangsplätze. Einfach, robust und in der Umgebung integriert. Die Region bzw. die Gemeinde betreibt und unterhält die Plätze kostendeckend, und sie sorgen für Ruhe und Ordnung. Die Fahrenden bezahlen bei der Benützung pro Wagen und Tag eine Miete sowie die Nebenkosten für Wasser, Abfall und Strom. Für die Richtung jedes Einzelplatzes sind Zonen, Überbauungsplan, Baubewilligungsverfahren separat durchzuführen. Das ist ganz klar Aufgabe der politischen Gemeinden. Der Kanton bewilligt keine Plätze. Wir haben nur den einmaligen Kredit, dass in den Regionen Lösungen gefunden werden können. Das ist Aufgabe der Gemeinden.

Wenn ich ganz kurz auf die Voten eingehe, so ist es schon interessant, Huser-Altstätten, Sie haben einige Fragen gestellt. Sie haben die Antworten selbst gegeben, das sind all diese Fragen und Antworten, die wir mehrmals in diesen drei Kommissionssitzungen auch gestellt und wieder beantwortet haben. Trotzdem sind wir verpflichtet, Plätze zu bauen? Das sind wir nicht, sondern es ist Sache der Gemeinden, aber wir haben ein Konzept, eine Vereinbarung, eine Aufgabenteilung Gemeinde/Kanton, dass wir die einmal erstellen und die Gemeinden die kostendeckend betreiben. Das ist das Konzept, das wir Ihnen vorgelegt haben. Zweitens haben Sie ausführlich, bis Bundesgerichtsentscheid, erklärt, wieso das Bundesgericht den Landwirt, der ausserhalb der Zone etwas machen wollte, wieder abbrechen musste, und gleichzeitig schlagen Sie als Lösung für ausserhalb der Bauzone vor, man solle etwas mit den Landwirten reden, das gäbe ja etwas Nebenerwerb. Dieses Thema greife ich heute nicht mehr auf. Aber Sie wissen genau, wir können nicht ausserhalb der Bauzone bauen, Bundesrecht anwenden und gleichzeitig den Fahrenden mehr zugestehen. Das wird ja wohl nicht funktionieren. Der Kanton ist verpflichtet, da haben Sie recht, diese Durchgangsplätze in den Richtplanungen aufzunehmen und die Gemeinden haben sie umzusetzen, aber nur aufzunehmen und sonst nichts zu tun, ist ja wohl keine Lösung. Die Fahrenden haben keine Möglichkeiten, diese Plätze zu kaufen und einzurichten. Das sind Durchgangsplätze, die wohnen doch gar nicht hier, das ist diese Art des Lebens, diese Lösung funktioniert nicht.

Sie haben sich auf die Statistik bezogen und gemeint, 40 bis 50 Polizeieinsätze im Jahr stellt doch kein Problem dar. Wenn die Polizei gut einmal in der Woche wegen den Fahrenden ausrücken muss, wenn das der Massstab ist, spüre ich doch irgendwo noch Sparpotenzial.

Ich erinnere Sie daran, dass die Staatswirtschaftliche Kommission seit 2003 fünf Mal in ihren Jahresberichten auf die Problematik, den aktuellen Stand, hingewiesen und die Regierung aufgefordert hat, vorwärtszumachen und Lösungen zu suchen. In der vorberatenden Kommission ist das Problem der Schweizer Fahrenden mit ausländischen Fahrenden kontrovers diskutiert worden. Nach Gutachten, das wir eingeholt haben, ist eine Nutzung nur für Schweizer Fahrende diskriminierend, das gilt für andere Bereiche selbstverständlich auch. Die Kommission hat nun eine Lösung gefunden, indem wir entgegen unserer ursprünglichen Idee, neben vier Durchgangsplätzen nur für Schweizer Fahrende eben den Transitplatz machen, damit wir nicht diskriminierend handeln und die ausländischen Fahrenden von der Polizei auf diesen Platz gewiesen werden können, damit wir auch, was die Verpflichtung ist, Plätze speziell für Schweizer Fahrende erstellen können. Das ist praktikabel, durchsetzbar, weil die Durchgangsplätze betreut und kontrolliert werden. Ich bitte Sie, auf die Vorlage einzutreten, auch wenn Sie nicht begeistert sein sollten, es ist ein gesellschaftliches Problem, das einer Lösung bedarf. Ein Nein löst das lösbare Problem nicht.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen der Mehrheit der CVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Wir sind der Auffassung, dass die gesprochenen Finanzen im Ausmass von 2,85 Mio. Franken ausreichen müssen, um für die Fahrenden eine Verbesserung der bisherigen Infrastruktur zu erstellen. Wir sind der Meinung, dass wenn gespart werden muss, auch in diesem Segment ein Beitrag möglich ist. Man muss die Anforderungen an die Standorte nochmals überprüfen, ob es nicht möglich wäre, an günstigeren Standorten diese Plätze unterzubringen, dazu gehört auch, dass man flexibler ist betreffend die Standorte, nach Möglichkeit müssten auch weitere Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden. Wir könnten uns auch vorstellen, dass die Genossenschaft der Fahrenden ihren Beitrag dazu leisten muss. Das können wir nur erreichen, wenn wir auf die Vorlage nicht eintreten und die Regierung gezwungen wird, nochmals über die Bücher zu gehen. Wir sind uns auch bewusst, dass dann vielleicht die Anzahl der Standplätze zurückgeht, vielleicht sind wir dann bei 2 plus 1, aber für uns sind die weiteren geforderten 6 Mio. Franken ganz einfach zu viel.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen der SP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Ich finde es absolut sinnlos, wenn wir das Geschäft wieder an die Regierung zurückgeben, nachdem wir schon drei Mal beraten haben. Mit dieser Vorlage soll endlich ein dringendes gesellschaftliches Problem, das den Kanton seit etwa 30 Jahren beschäftigt, gelöst werden. Es handelt sich um ein heikles Kapitel, da die Geschichte der Fahrenden in der Schweiz ein ziemlich dunkles Kapitel darstellt, und zwar nicht nur das Elend der «Kinder der Landstrasse». Es ist ein Kapitel, das von Diskriminierung und Ausgrenzung geprägt ist. Umso wichtiger ist es, dass in der heutigen Zeit das Recht der Fahrenden auf das Leben ihrer Kultur, und dazu gehört das Herumziehen, anerkannt und ihnen auch die Möglichkeiten dazu geschaffen werden. Die Schweiz hat 1998 ein Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten ratifiziert. Ein Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahre 2003 schreibt zudem das Recht der Fahrenden auf angemessene Halteplätze vor. Der Bund erwartet seitdem von den Kantonen, dass die nötigen Halteplätze, die das Herumreisen ermöglichen, zur Verfügung stehen. Dies ist bis jetzt nicht der Fall. Ein grosser Mangel an geeigneten Haltemöglichkeiten erschwert es den Fahrenden, ihre Lebensweise zu pflegen.

Das Recht der Fahrenden auf das Leben ihrer Tradition wird von niemandem bestritten, aber sobald es konkret wird, will keiner die Fahrenden in der eigenen Gemeinde haben. Tatsache ist aber, dass es die Fahrenden gibt, dass diese ihre Tradition auch pflegen, und wenn es keine legalen Plätze gibt, halt auch illegal das Lager aufgebaut wird. Dies führt meistens zu Konflikten mit der sesshaften Bevölkerung, was wiederum das negative Bild, das viele immer noch von den Fahrenden haben, hartnäckig aufrechterhält. Eigentlich wäre es Aufgabe der Gemeinden, dieses Problem zu lösen. Da aber kein Gemeindepräsident und keine Gemeindepräsidentin bei der Bevölkerung in Ungnade fallen will, ist lange Zeit nichts passiert. Es ist erst Bewegung in die Sache gekommen, nachdem das Baudepartement die Regie übernommen hat.

Nun präsentiert uns die Regierung ein breit abgestütztes Gesamtkonzept. Dieses bietet eine gute Grundlage, um das Problem zu entschärfen, so dass ein entspannteres Zusammenleben von Fahrenden und Sesshaften möglich wird. Es handelt sich bei dieser Bauvorlage weder um eine Luxusvariante noch um ein überrissenes Projekt. Das wurde von den meisten in der Kommission, ausser der SVP-Fraktion, erkannt. Es wurde aber sehr schnell Kritik geäussert an der Zahl der Plätze, dem Kanton wurde vorauseilender Gehorsam vorgeworfen. So schlecht kann das Konzept aber nicht sein, wurde es doch vom Kanton Aargau übernommen und vom dortigen Kantonsrat gutgeheissen. Nicht so in dieser Kommission. Grundsätzlich waren zwar alle Kommissionsmitglieder der Ansicht, dass das Problem gelöst werden muss, über den Weg konnte man sich aber lange nicht einigen. Erst in der 3. Sitzung fand ein Kompromissvorschlag der CVP-Fraktion eine Mehrheit. Anstelle von sechs Durchgangsplätzen, wie die Regierung in ihrem Entwurf plante, sollen nun vier Durchgangsplätze gebaut werden. Diese Plätze sollen ausschliesslich Schweizer Fahrenden zur Verfügung stehen. Deshalb soll zusätzlich, entsprechend einem Gutachten, das die Regierung von der Uni St.Gallen erstellen liess, ein Transitplatz, der nicht nur den Schweizer Fahrenden offen steht, gebaut werden. Das Freizügigkeitsabkommen gibt ausländischen Fahrenden im EU-Raum das Recht, auf Einreise, Ausreise und Niederlassung in der Schweiz. In diesem rechtlichen Rahmen geniessen sie die gleichen Rechte wie Schweizerinnen und Schweizer, haben also wie die Schweizer Fahrenden das Recht ihre Lebensweise auszuüben. Diskriminierungen sind widerrechtlich. Mit dem Transitplatz konnte ein Ausweg gefunden werden, so dass auch den ausländischen Fahrenden ein Halteplatz zur Verfügung steht. Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn nur für Schweizer Fahrende eine Lösung gefunden wird und ausländische Fahrende, sehr zum Ärger der Bevölkerung, weiterhin wild campieren.

Die SP-Fraktion stellte ursprünglich den Antrag auf fünf Durchgangsplätze und einen Transitplatz und war dagegen, dass die Durchgangsplätze ausschliesslich Schweizer Fahrenden zur Verfügung stehen sollen. Wir konnten uns aber im Sinne der Sache entschliessen, auf den Kompromiss einzugehen, denn uns ist es sehr wichtig, dass dieses gesellschaftliche Problem nun endlich gelöst wird. Wenn diese Vorlage abgelehnt werden sollte, wird der illegale Aufenthalt an ungeeigneten Plätzen mit all seinen negativen Konsequenzen weitergehen. Die Unordnung, die oft an wilden Halteplätzen entsteht, wird weiterhin den Ärger der Sesshaften erregen und immer wieder zu Konflikten führen. Das Problem mit den Fahrenden wird uns dann sicher noch jahrelang beschäftigen. Der Kanton wird sich aus der ganzen Geschichte verabschieden, und es ist kaum zu erwarten, dass die Gemeinden alleine eine Lösung finden, wenn sie es nicht mal mit der Hilfe des Kantons geschafft haben. Der SP-Fraktion ist die Lösung des Problems durch den Bau von Durchgangsplätzen sehr wichtig. Wir sind daher für Eintreten und unterstützen die Forderungen auf dem gelben Blatt.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen der FDP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

  • Wo wollen Sie parkieren, wenn keine Parkplätze vorhanden sind?

  • Wo wollen Sie Ihren Abfall beim Picknick entsorgen, wenn nirgends Abfalleimer vorhanden sind?

  • Wo wollen Sie Ihre Notdurft erledigen, wenn kein WC vorhanden ist?

«Keiner hat etwas gegen die Fahrenden, aber niemand will sie.» Vorab danken wir der Regierung, dass sie offen und ehrlich die seit Jahrzehnten dringend nötige Lösungsfindung an die Hand genommen hat und eine Vorlage erarbeitete, welche für den ganzen Kanton umgesetzt werden kann. Wir alle wissen, die Angelegenheit obliegt grundsätzlich nicht dem Kanton, sondern den Gemeinden. Aber eben, unter dem Motto «keiner hat etwas gegen die Fahrenden, aber niemand will sie» hat sich keine Gemeinde verpflichtet gefühlt, die Angelegenheit in die Hände zu nehmen. Jede Gemeinde, welche nie mit der Situation konfrontiert wurde, in welcher sie sich eines Morgens mit 15 wild auf einem Parkplatz campierenden Wohnwagen befassen musste, verhielt sich sehr still und war froh, dass dies in der Nachbargemeinde passierte. Jede und jeder, welcher in einer Gemeinde wohnt, in welcher die Fahrenden wild campieren, weiss, wovon ich spreche. Uzwil hat einen Platz, wo dies geschieht. Sie sind einfach plötzlich da. Sie weichen nicht, sie wissen ja nicht wohin. Was mache ich als verärgerter Bürger? Ich rufe die Polizei. Und dann? Die Polizei kann nichts unternehmen, denn wohin soll sie die Fahrenden wegweisen? Es ist deshalb zwingend nötig, eine Lösung, die allen hilft, zu finden. Es ist nötig, dass Plätze zur Verfügung gestellt werden, damit Ordnung herrscht, aber auch Ordnung erwartet und verlangt werden kann. Dies kann nur geschehen, wenn die zwingend nötigen Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Die vorberatende Kommission hat sich, obwohl es sich letztendlich um einen nicht sehr grossen Betrag handelt, intensiv mit der Lösungsfindung beschäftigt. Dank einem Gutachten, welches klar aufzeigt, dass es keine Plätze nur für Schweizer Fahrende geben darf, da dies diskriminierend wäre, kam der Kompromiss auf dem gelben Blatt zustande: vier Durchgangsplätze für Schweizer Fahrende und ein Transitplatz für ausländische Fahrende. Nachdem die Regierung kein rotes Blatt erstellt hat, ist klar, dass auch die Regierung dem Kompromissvorschlag, welcher die Angelegenheit für Schweizer und ausländische Fahrende regelt, zustimmt. Was will die FDP-Fraktion? Vorgegebene Durchgangs- und Transitplätze, welche benützt werden müssen, wobei die Kosten für den Unterhalt wie auch die Reinigung durch die Benützer finanziert werden müssen. Wir wollen geordnete, klare Verhältnisse auch für Fahrende. Wir wollen, dass der Polizei die Möglichkeit geboten wird, wild campierende Fahrende auf die Plätze zu zwingen, ansonsten müssen sie den Kanton verlassen. Wir wollen in unserem Kanton keine Einzellösungen, sondern eine kantonale Lösung, welche für die Gemeinden, für die Bewohner und Bewohnerinnen und für die Fahrenden vernünftig und praktikabel ist. Nicht umsonst begrüsst die VSGP diese Lösung. Ich bitte Sie daher, sachlich und nicht emotional die Vorlage anzugehen, das parteipolitische Denken in den Hintergrund zu stellen und dem lösungsorientierten Vorschlag der vorberatenden Kommission zum Erfolg zu verhelfen.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen der SVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist nicht einzutreten.

Der Kanton St.Gallen will gemäss dem revidierten Antrag der vorberatenden Kommission für 6,85 Mio. Franken vier Durchgangsplätze für Schweizer Fahrende und einen Transitplatz für ausländische Fahrende planen und realisieren. Es gibt, will man den vorliegenden Kantonsratsbeschluss beurteilen können, eine Vielzahl von Fragen, die es zu beantworten gilt. Ich werde mich jedoch auf die wichtigsten beschränken.

Besteht für unseren Kanton eine Verpflichtung zum Bau dieser Plätze? Die Diskussion über Durchgangsplätze für Fahrende beschäftigt unseren Kanton schon seit Mitte der Achtzigerjahre. So richtig Auftrieb erhalten hat dieses Thema vor einigen Jahren durch den «Bericht des Bundesrates über die Situation der Fahrenden in der Schweiz» und durch den Bericht «Fahrende und Raumplanung» der Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende». Vor allem als Begründung für diese Vorlage bemüht wird jedoch das Bundesgerichtsurteil vom 28. März 2003. Dieses hält fest: «Das Anliegen der Fahrenden auf Erhalt ihrer Identität geniesst zwar verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Schutz, doch lässt sich daraus kein Anspruch auf eine Lebensweise ohne raumplanerisch bedingte Einschränkungen ableiten». Mit diesem einstimmig gefällten Entscheid hat das höchste Schweizer Gericht es abgelehnt, für den Standplatz einer Grossfamilie in der Landwirtschaftszone im Kanton Genf eine Ausnahmebewilligung für Anlagen ausserhalb der Bauzonen zu erteilen. Doch was war überhaupt der Grund für dieses Verfahren? Im Jahr 1999 hat ein Fahrender, der bis dahin auf einem offiziellen Standplatz im Kanton Genf lebte, ein 7000 m2 grosses Grundstück in der Landwirtschaftszone erworben. Darauf legte er ohne Bewilligung Wege und Abstellplätze für mehrere Wohnwagen an. Zudem erstellte er – ebenfalls widerrechtlich – verschiedene Bauten. Nachdem die zuständigen kantonalen Stellen den Mann insgesamt achtmal abgemahnt und mit Bussen von über 42‘000 Franken belegt hatten, gelangte dieser ans Verwaltungs- und letztlich ans Bundesgericht. Wie die Vorinstanzen fällte jedoch auch das Bundesgericht einstimmig einen negativen Entscheid und lehnte das Gesuch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung ab, weil das umstrittene Projekt «aufgrund seiner Dimensionen eine spezielle Nutzungszone für Fahrende erfordere» und es sei Sache der zuständigen Stellen, so das Bundesgericht, solche Zonen in der Raumplanung vorzusehen. Weiter anerkannte das Bundesgericht zwar, dass «die Fahrenden in ihrer Identität vom ablehnenden Urteil betroffen sind». Ebenso hielt es jedoch fest, dass «die gesetzlich vorgesehenen raumplanerischen Einschränkungen im Interesse einer geordneten Besiedelung des Landes weder gegen die in der Bundesverfassung verankerte Niederlassungsfreiheit noch gegen die von der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährten Garantien zugunsten ethnischer Minderheiten verstossen». Zusammengefasst anerkannte das Bundesgericht also den Anspruch der Fahrenden auf Durchgangsplätze, verwies diese für die Umsetzung jedoch auf die Raumplanung. Das bedeutet, das Bundesgericht macht einzig und allein die Aussage, dass Durchgangsplätze in der Richtplanung zu berücksichtigen seien, wie dies beispielsweise auch für den Bau von Einkaufszentren der Fall ist. Mit keinem einzigen Wort kommt der Bundesgerichtsentscheid hingegen auch nur in die Nähe einer Verpflichtung der Kantone oder der Gemeinden, Durchgangsplätze für Fahrende schaffen oder gleich auch noch die Kosten dafür übernehmen zu müssen. Dies ist ebenso wenig der Fall, wie Kantone und Gemeinden verpflichtet sind, Einkaufszentren selber zu bauen und zu betreiben. Es geht einzig und allein um die Richtplanung, und um nichts anderes. Somit besteht für unseren Kanton keine Verpflichtung zum Bau solcher Plätze!

Gibt es in unserem Kanton Probleme mit Fahrenden? Es ist für niemanden einfach zu beurteilen, ob es in der Realität Probleme mit Fahrenden gibt und welche das konkret sind. Üblicherweise werden Vorfälle, wenn sie denn regelmässig vorkommen und die Behörden wiederkehrend beschäftigen, in Statistiken erfasst. Eine solche gibt es zum Thema «Probleme mit Fahrenden» jedoch nicht. Allein daraus könnte schon der Schluss gezogen werden, dass es sich nicht um ein wirkliches Problem handelt. Was es jedoch gibt, sind Angaben der Kantonspolizei. Demnach kommt es mit Fahrenden im ganzen Kanton pro Jahr in 40 bis 50 Fällen zu Problemen. Das ist vermutlich weniger, als es bei einem einzigen Heimspiel des FC St.Gallen geben dürfte. Im ganzen Kanton muss sich also gerade mal jede zweite Gemeinde einmal pro Jahr mit einem solchen Problem befassen. Von einem realen oder gar grossen Problem kann also keine Rede sein!

Werden mit dem Bau solcher Plätze Probleme gelöst? Die vorberatende Kommission hat die ursprüngliche Vorlage der Regierung von fünf bis sechs Durchgangsplätzen für Schweizer Fahrende abgeändert. Nun sollen vier Durchgangsplätze für Schweizer Fahrende und ein zusätzlicher Transitplatz für ausländische Fahrende gebaut werden. Sowohl das Baudepartement als auch Vertreter anderer Parteien haben sich zuerst klar dazu bekannt, dass der Bau eines Transitplatzes zurzeit kein Thema sei. Auch der Präsident der «Schweizer Fahrenden», deren Mehrheit Jenische sind, hat zu Protokoll gegeben, es würden mit der Ausweitung der Personenfreizügigkeit und dem steigenden Angebot an Plätzen für Fahrende immer mehr Roma in die Schweiz kommen. Dies führe dann zu einer «Vermischung», die nicht mehr akzeptabel sei und den Jenischen schade. Doch ungeachtet aller Bekenntnisse und trotz der Warnung eines Betroffenen will der Kanton St.Gallen auch einen Platz für ausländische Fahrende schaffen. Damit werden Probleme nicht gelöst, sondern erst recht geschaffen!

Sind die veranschlagten Kosten angemessen? Nach dem Willen der Mehrheit der vorberatenden Kommission sollen für Schweizer Fahrende vier Durchgangsplätze für je 1,2 Mio. Franken und ein zusätzlicher Transitplatz für ausländische Fahrende gebaut werden. Kostenpunkt: nochmals 2 Mio. Franken. Vergleicht man diese Zahlen mit denjenigen anderer Kantone, fallen vor allem die veranschlagten Kosten für die geplanten Gebäude auf. Auf Durchgangsplätzen anderer Kantone besteht die Infrastruktur, also die WC-Anlagen und Duschen, oft aus handelsüblichen Containern, wie sie heute auch an jedem Fest und jeder Messe anzutreffen sind. Kostenpunkt pro Platz: rund 40‘000 Franken. Der Kanton St.Gallen hingegen hat sich nach einem Wettbewerb für eine Luxusvariante mit eingefärbten Betonkuben entschieden. Kostenpunkt hier pro Platz: rund 380'000 Franken, also fast das Zehnfache! Die veranschlagten Kosten sind somit nach Ansicht der SVP-Fraktion alles andere als angemessen.

Entspricht die Vorlage dem Grundsatz der Rechtsgleichheit? Gemäss schweizerischer Bundesverfassung darf «niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform» und so weiter. Das ist gut so. Im Umkehrschluss heisst dies jedoch auch, dass aufgrund dieses Verfassungsartikels niemand bevorzugt werden darf. Exakt dies wäre jedoch der Fall, würde der Kanton St.Gallen auf öffentlichem Grund und mit Steuergeldern Infrastrukturanlagen bauen und betreiben, die ausschliesslich einer Minderheit zur Verfügung stehen und nur von dieser Minderheit genutzt werden dürfen. Damit verstösst die Vorlage klar gegen den verfassungsmässigen Grundsatz der Rechtsgleichheit!

Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass es für die Umsetzung dieses Kantonsratsbeschlusses weder eine Verpflichtung noch eine Notwendigkeit gibt. Ebenso würde die Annahme der Vorlage vermutlich mehr Probleme schaffen als lösen. Ein weiterer Vorbehalt muss in Bezug auf die Kosten angebracht werden, denn die fragwürdige Ausgabe von fast 7 Mio. Franken lässt sich angesichts angespannter Kantonsfinanzen wohl kaum rechtfertigen. Und schliesslich widerspräche der Bau solcher Plätze durch die öffentliche Hand klar den elementarsten Grundsätzen der Rechtsgleichheit. All das hat die SVP-Fraktion bereits in der vorberatenden Kommission klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Bestärkt wurde die Haltung der SVP-Fraktion auch durch die Ergebnisse weiterer Abklärungen, unter anderem durch ein Rechtsgutachten der Universität St.Gallen, das vom Baudepartement eingeholt wurde.

Doch die SVP-Fraktion hat nicht nur bemängelt, sondern sie hat auch eine denkbare Alternative aufgezeigt: Weil der Kanton verpflichtet ist, den Bau von Durchgangsplätzen in seiner Richtplanung zu ermöglichen, könnte er dies zusammen mit interessierten Grundeigentümern tun, beispielsweise mit Landwirten. Damit liesse sich nicht nur das Problem fehlender Plätze lösen, sondern es könnte einigen Landwirtschaftsbetrieben ein neuer Erwerbszweig eröffnet und damit unter Umständen deren Weiterbestand gesichert werden. Diese direkte und sinnvolle Wirtschaftsförderung in den Regionen wäre politisch wie volkswirtschaftlich allemal die bessere Alternative als die vorgesehene Lösung mit Steuergeldern.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010
19.4.2010Wortmeldung

(im Namen einer Minderheit der CVP-Fraktion): Auf die Vorlage ist einzutreten.

Man kann jetzt schon die Vorlage ablehnen, Nichteintreten beschliessen, die Regierung beauftragen, das Beste mit diesen 2,85 Mio. Franken zu machen, denn der Kantonsrat hat diesen Betrag in den Budgets 2007/08/09 ausdrücklich bewilligt. Aber ich sage Ihnen deutlich, das Problem, das die Regierung und der Kantonsrat schon Jahre vor sich herschieben, ist damit nicht gelöst. Ich bin dezidiert der Meinung, dass die vorberatende Kommission eine pragmatische Lösung mit vier Durchgangsplätzen und einem Transitplatz gefunden hat, denn es ist wichtig, dass die Differenzierung von Standplatz und Transitplatz sich in der Realisation umsetzt. Zeigen wir Mut, ein Problem für eine Minderheit zu lösen. Wie schon gesagt, verhindern wir damit unerwünschtes Sich-Niederlassen auf Plätzen. Eines steht für mich fest: Wenn wir dieses Problem auch nur ansatzweise lösen wollen, dann muss die Anspruchshaltung aller Beteiligten - und damit meine ich auch das Amt für Raumentwicklung - unbedingt zurückgeschraubt werden. Ich sage Ihnen: Bergsicht, Seesicht, Nähe von Agglomerationen, in der Nähe von Durchgangsstrassen, ruhige Lage und sicher keine Lärmimmissionen, das wird es für Durchgangsplätze ganz bestimmt nicht geben. Hier sind Kompromisse gefragt.

Session des Kantonsrates vom 19. und 20. April 2010