Geschäft: Vision: Der Kanton St.Gallen ist bis im Jahr 2020 energieautark
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 43.07.10 |
Titel | Vision: Der Kanton St.Gallen ist bis im Jahr 2020 energieautark |
Art | KR Postulat |
Thema | Verkehr, Bau, Energie, Gewässer |
Federführung | Bau- und Umweltdepartement |
Eröffnung | 24.4.2007 |
Abschluss | 6.6.2007 |
Letze Änderung | 9.12.2021 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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21.8.2019 | Gremium | Beteiligung - SP-Fraktion bis Amtsdauer 2008/2012 | 19.1.2023 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
6.6.2007 | Eintreten | 45 | Zustimmung | 90 | Ablehnung | 45 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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6.6.2007 | Wortmeldung | Wir haben viel über Visionen gesprochen, Utopien wäre wahrscheinlich das bessere Wort. Güssing wurde erwähnt. Mir liegt das Rheintal näher und auch Ihnen liegt das Rheintal mindestens geographisch näher. Jede Rheintalerin und jeder Rheintaler erarbeitet einem Exportüberschuss von 20'700 Franken. Das braucht sehr viel Arbeit und sehr viel Energie. Wahrscheinlich ist das sogar ein Weltrekord für eine Region. Glauben Sie tatsächlich, dass mit ihren Utopien, die sie nochmals Visionen nennen, möglich wären. Ich glaube es nicht. Ich denke, dass es auch die anderen Mitglieder dieses Rates nicht glauben. | Session des Kantonsrates vom 6. Juni 2007, ausserordentliche Klima-Session |
6.6.2007 | Wortmeldung | (im Namen der FDP-Fraktion): Auf das Postulat ist nicht einzutreten. Visionen sind wichtig, gerade im Bereich der Lösung der Energiefrage uns des Klimaschutzes. Das Modell Güssing auf den Kanton St.Gallen übertragen zu wollen ist aber keine solche Vision sondern eine Illusion. Die 4'000 Einwohner grosse Stadt Güssing im östlichsten Teil des Burgenlandes direkt an der Grenze zu Ungarn gehörte bis zum Fall des eisernen Vorhanges zu den ärmsten Städten und den ärmsten Regionen des Landes geprägt hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung der jüngeren Bevölkerung. In jüngster Zeit nun ist Güssing für viele Politiker zum vermeintlichen Mekka der erneuerbaren Energie geworden. Heute drücken sich in Güssing Gemeindevertreter aus ganz Europa, Schuldirektoren, Waldbesitzer, Bauern und Ökotouristen beinahe täglich die Klinke in die Hand um das Wunder von Güssing kennen zu lernen. Dabei wird vor allem auch das Tourismusrad kräftig gedreht. Wie sieht nun aber die Wirklichkeit aus? In der Stadt Güssing wird zwar soviel Treibstoff aus Biomasse produziert wie die Stadt braucht. So weit, so gut. Das sind 1,5 Mio. Liter je Jahr, also etwa soviel wie an einer mittelgrossen Tankstelle im Kanton St.Gallen verbraucht wird. Anders gesagt, das sind bei 4'000 Einwohner je Tag wenig mehr als ein Liter Benzinverbrauch. Im Jahr 375 Liter Benzinverbraucht je Person. Das ist nachvollziehbar bei einer Wirtschaft, die kaum Beziehungen nach aussen hat. Die Stadt hat auch bis heute weder einen Eisenbahnanschluss noch einen Autobahnanschluss und wiegt nur gerade 229 m.ü.M. womit auch die Heizkosten entsprechend gering sein dürfen. Das Wirtschafts- und Energiewunder von Güssing relativiert sich weiter angesichts der gewaltigen Fördermittel, die die EU in die Region pumpte. 500 Mio. Euro flossen zwischen den Jahren 1995 und 2005 allein in die Infrastruktur. Das sind immerhin pro Kopf der Bevölkerung rund 200'000 Franken oder wenn wir das auf den Kanton St.Gallen umrechnen, wären das für uns 90 Mrd. Franken Fördergelder. Die Stadt lehnt noch heute wie erwähnt vor allem davon, dass halb Europa dorthin pilgert um vor allem eine Biogasanlage, ein Biomassekraftwerk und zwei Biomasse Nahwärmenetze zu besuchen. Ohne EU Fördermittel wäre die Illusion Güssing nie realisierbar gewesen. Die Auffassung im Postulat der SP-Fraktion was im ??? realisiert werden könnte sei auch in St.Gallen möglich, ist daher wirklich reine Illusion. Die Regierung verweist auf dem roten Blatt daher zurecht auf die völlig unterschiedliche Ausgangslage und die hohe nicht vergleichbare Wirtschaftsstruktur im Kanton St.Gallen. Der Vorschlag der GRÜ-Fraktion auf dem grauen Blatt, im Kanton die 2000-Watt-Gesellschaft festzuschreiben, ist dagegen aufs erste betrachtet schon eher eine Vision. Wir meinen als FDP-Fraktion, dass wir um in Sachen Nachhaltigkeit weiterzukommen klare Visionen mit deutlichen Zielvorgaben brauchen. Ein Durchschnittsschweizer verbraucht im Moment etwas mehr als 6000-Watt Energieleistung. Eine Reduktion auf 2000-Watt, d.h. um zwei Drittel auf die Werte von 1960 ist im Alleingang nicht möglich. Es sei denn wir würden die damit verbundenen grossen wirtschaftlichen Probleme einfach so für den Kanton in Kauf nehmen. Nach der klaren Aussage von Prof. Alex Zehnder, Präsident des ETH-Rates - übrigens ein St.Galler - kann selbst die Schweiz als Ganzes das Ziel 2000-Watt-Gesellschaft nicht allein erreichen, geschweige denn der Kanton St.Gallen. Der konkrete Postulatsauftrag wie ihn die GRÜ-Fraktion formulieren wollen ist damit trotz klarer Vision im Alleingang ebenfalls eine Illusion. | Session des Kantonsrates vom 6. Juni 2007, ausserordentliche Klima-Session |
6.6.2007 | Wortmeldung | Die Regierung beantragt Nichteintreten. | Session des Kantonsrates vom 6. Juni 2007, ausserordentliche Klima-Session |
6.6.2007 | Wortmeldung | (im Namen der SP-Fraktion): Auf das Postulat ist einzutreten. Die SP-Fraktion unterbreitet Ihnen tatsächlich eine Vision. Nicht die Vision Güssing sondern die Vision St.Gallen. Nach dieser Vision soll der Kanton St.Gallen bis ins Jahr 2020 energieautark sein, was heisst, der Kanton St.Gallen produziert alle Energie, die er im Kanton verbraucht selber. Visionen: Dieser Begriff hat eine doppelte Bedeutung. Zum Einen kann Vision heissen, Sinnestäuschung, Halluzination. Ich spreche nicht davon, wie das mir Locher-St.Gallen ein Stück weit unterstellt. Sondern Vision heisst auch eine klare Vorstellung darüber haben was in der Zukunft exakt geschehen soll. Darüber sprechen wir. Wir wissen, dass wir die Zielsetzung die wir vorgeben ausserordentlich ambitiös ist. Aber ohne Zielsetzungen erreichen wir gar nichts. Ohne ambitiöse Zielsetzungen ist das was wir letztendlich erreichen wird letztendlich nicht dem entsprechen was wir gewollt haben. Wir orientieren uns tatsächlich am Vorbild Güssing. Güssing ist tatsächlich eine Stadt von 4'000 Einwohnern. Das war Ende der 80er Jahre das Armenhaus von Österreich. Die Verantwortlichen in Güssing waren gezwungen sich zu überlegen, was machen wir. Hohe Abwanderung, niemand mehr wollte dort wohnen, keine Arbeitsplätze. Sie haben die Haushaltsbudgets analysiert und sie haben festgestellt, dass ein erheblicher Teil dieser Budgets für Energie ausgegeben wird und dass diese Geldströme allesamt ausser von der Region wegflossen. Das sind Feststellungen die für St.Gallen ebenfalls gelten und in Güssing hat man dann beschlossen diese Energie künftig selber herstellen zu wollen. Damals hat man in Güssing das gleiche gehört wie wir jetzt von Locher-St.Gallen gehört haben, ist unmöglich, kann man nicht machen, wird sich nicht realisieren lassen, sind Illusionen und Träume. Alle Fachleute haben das gesagt und Güssing hat gesagt und wir versuchen es trotzdem und sie haben es geschafft. Mittlerweile ist nicht nur diese Stadt Güssing energieautark. Die Region mit immerhin 27'000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist zu mehr als 70 Prozent energieautark. Eine neue Projektstudie hat nachgewiesen, dass es auch für diese 27'000 Einwohnerinnen und Einwohnern möglich ist dieses Ziel zu erreichen. Ich verstehe nun einfach nicht wiese es nicht möglich sein soll was für 27'000 Leute zu realisieren ist auch letztendlich für 400'000 Leute zu realisieren. Selbstverständlich können Sie die Realisierung auch in 25'000er Pakete aufteilen. In Güssing war die Not der Motor für diese Entscheide und nicht die Ökologie. Ich meine, dass wir in unserem Kanton diese Not vielleicht nicht ganz vergleichbar aber diese Not in doppelter Hinsicht haben. Wir haben sehr strukturschwache Regionen, die auf diese wirtschaftliche volkswirtschaftlichen Inputs ausserordentlich angewiesen wäre und wir haben auch ökologische Not und von daher bin ich der Meinung, dass es eben richtig ist zu überprüfen auf welche Art und Weise der Kanton St.Gallen diese Zielsetzung erreichen kann. Mehr verlange ich mit dem Postulat nicht aber wir sind uns bewusst, dass dies viel ist. Das wird nicht ein Abklatsch von Güssing sein. Man kann das nicht abkupfern. Man wird für den Kanton St.Gallen eine eigenständige Energiebilanz prüfen müssen was ist an Energieträgern vorhanden. Wenn dann letztendlich sich herausstellt, dass man dieses Ziel nur zu 80 Prozent erreichen kann, da sind wir die letzten, die das beklagen. Wenn man dann feststellt, dass die Zeiträume die wir setzen zu eng sind, dass es bis ins Jahr 2030 oder 2025 geht, dann werden wir uns ebenfalls nicht beklagen. Es geht darum jetzt konkrete strategische Zielsetzungen zu formulieren. Die 2000-Watt-Gesellschaft wäre eine andere. Heinz Karrer von der Axpo hat anscheinend bei der FDP-Fraktion erzählt, das sei realisierbar, immerhin. Aber erst in 120 Jahren. Wenn wir die Vision in 120 Jahren sind wir dann dort haben, dann sieht das tatsächlich etwas schwache und wenn wir die Klimasituation eben anschauen absolut unzureichende Aussichten. Es ist sicher wesentlich mehr und sicher wesentlich schneller möglich diese Ziele zumindest ansatzweise zu erreichen. Ein angenehmer Nebeneffekt in Güssing. Es sind allein in der Produktion 400 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. In einem 4000 Seelenstädtchen und es sind zwischenzeitlich weil eben diese Energie sehr günstig verkauft werden kann zusätzliche 600 Arbeitsplätze geschaffen worden durch Industrien, die sich dort angesiedelt haben und von diesem günstigen Strom profitieren können. Es wird nun gesagt, das sei dort alles nur möglich gewesen wegen der Fördergelder der EU. Das ist richtig. Die EU hat dieses Projekt massiv wirtschaftlich unterstützt. Es musste dort aber auch Grundlagenforschung betrieben werden. Das war vor 17 Jahren als man begonnen hat. Heutzutage kann man einen schönen Teil dieser industriellen Anlagen die eben für die Produktion dieser Energien nötig sind von der Stange kaufen. All das ist wesentlich günstiger geworden. Jede Investition kostet am Anfang. Das sollte an sich auf Seiten der FDP-Fraktion nichts Neues sein und die Erträge fallen dann in einem späteren Zeitpunkt an. Die Regierung ist der Meinung. Sie hat da noch eine relativ vorsichtige Formulierung gewählt. Das von uns gesetzte Ziel sei kaum zu realisieren. Als Jurist lege ich natürlich jede Formulierung aus. Da ist ein gewisser Unsicherheitsfaktor auch in der Formulierung der Regierung zu finden. Ich interpretiere ihn so, vielleicht bin ich da etwas zu grosszügig, dass ebenfalls erhebliche Ziele mit den von uns gemachten Vorschlägen erreicht werden könnten und ich bin der Meinung, dass es eben in erster Linie darauf ankommt, dass man eben was erreichen will, dass man sich diese Ziele setzt, nur so werden wir vorankommen. Die Regierung weist darauf hin, dass die 2000-Watt-Gesellschaft vielleicht die realistischere Perspektive sei wie das jetzt bereits auch von Locher-St.Gallen gesagt wurde. Ich bin der Meinung, dass wir beides machen müssen. Es geht nicht nur darum die Energie selber zu produzieren sondern selbstverständlich gleichzeitig auch den Energieverbrauch soweit es möglich ist zu reduzieren. Unser Vorstoss schliesst die 2000-Watt-Gesellschaft in keiner Art und Weise aus. Im Gegenteil, sie ist Voraussetzung, dass diese ambitiösen Ziele die wir da formuliert haben überhaupt erreicht werden können. Ich bin der Meinung, St.Gallen kann es. Aber das ist in dieser Frage nicht ausreichend. St.Gallen muss es auch tun. | Session des Kantonsrates vom 6. Juni 2007, ausserordentliche Klima-Session |
6.6.2007 | Wortmeldung | Natürlich von meiner Position her wenn ich den Titel lese «Vision energieautark bis ins Jahr 2020» ist das im ersten Moment verführend und erzeugt auch eine Hurra-Stimmung. Es ist aber so, wie ich in meinem Eintreten schon gesagt habe, wenn man will was man kann, dann kann man was man will. Aber man muss es vielleicht schon noch können sonst nützt der ganze Wille nichts. Ich sehe da gewisse Schwierigkeiten für das Raumschiff Erde, wenn ich diesen Begriff nutzen darf, sehe ich die Energie??? als absolute Notwendigkeit. Aber nicht unbedingt in einer Region. Da schliesse ich mich teilweise der Regierung an. Wir machen deshalb folgenden Vorschlag, dass die Zielsetzung geändert werden soll, die 2000-Watt-Gesellschaft für den Kanton St.Gallen ist zu prüfen. In diesem Sinn wäre dann Gutheissung mit folgendem Wortlaut: «Die Regierung wird eingeladen, die Möglichkeiten einer 2000-Watt-Gesellschaft im Kanton St.Gallen zu prüfen. Sie stellt nach Ergebnissen der Prüfung einen Zeitplan der Umsetzung auf und formuliert Zwischenziele. Sie berichtet über eventuelle Gesetzesanpassungen und finanzielle Auswirkungen. Ich bin auch nicht der Mann, der jetzt schon sagen kann, dass diese 2000-Watt-Gesellschaft möglich ist in diesem Kanton St.Gallen. Aber wenn man diese Sache nie richtig geprüft hat, dann wissen wir das auch nicht. Ich möchte Sie doch bitten unseren Antrag, der nach meiner Meinung realitätsnah ist zuzustimmen und eben einen Postulatsbericht zu verlangen. Die Regierung hat übrigens auch auf dem roten Blatt im unteren Teil ähnliche Überlegungen angestellt. Ich bitte Sie, dem Antrag der GRÜ-Fraktion über diese geänderten Wortlaute zuzustimmen. | Session des Kantonsrates vom 6. Juni 2007, ausserordentliche Klima-Session |