Geschäft: Einführung von Schulsozialarbeit in der Volksschule
Komitee | Kantonsrat |
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Nummer | 42.06.25 |
Titel | Einführung von Schulsozialarbeit in der Volksschule |
Art | KR Motion |
Thema | Erziehung, Bildung, Kultur |
Federführung | Departement des Innern |
Eröffnung | 28.11.2006 |
Abschluss | 19.2.2007 |
Letze Änderung | 9.12.2021 |
vertraulich | Nein |
öffentlich | Ja |
dringend | Nein |
Datum | Akteur | Titel | Letze Änderung |
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21.8.2019 | Gremium | Beteiligung - SP-Fraktion bis Amtsdauer 2008/2012 | 19.1.2023 |
Datum | Titel | Resultat | öffentlich | ||||
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Ja | Bedeutung | Nein | Bedeutung | Absent / Enthaltung | |||
19.2.2007 | Eintreten | 38 | Zustimmung | 101 | Ablehnung | 41 |
Datum | Typ | Wortlaut | Session |
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19.2.2007 | Wortmeldung | Die Regierung beantragt Nichteintreten. | Session des Kantonsrates vom 19. und 20. Februar 2007 |
19.2.2007 | Wortmeldung | (im Namen der SP-Fraktion): Auf die Motion ist einzutreten. Ich bedaure, dass die Regierung Ablehnung empfiehlt, und möchte aus Sicht der SP-Fraktion begründen, warum es die Motion doch verdient, auf sie einzutreten. Zu Recht stellt die Regierung fest, dass es sich bei der Schulsozialarbeit um ein neues Handlungsfeld handelt. Der Bedarf ist erkannt. Es soll, ich zitiere: «für die Bevölkerung des Kantons St.Gallen ein flächendeckendes, einheitliches Sozialberatungs-Grundangebot zur Verfügung gestellt werden». Schade ist einfach, dass die Regierung offenbar davon ausgeht, es bestünde bereits überall die Einsicht, dass Schulsozialarbeit ein Gebot der Stunde ist und gemacht werden muss und gemacht werden kann. Denn mit dieser Strategie scheint es auf der Hand zu liegen, dass von Seiten des Kantons viele wohlfeile gute Ratschläge erteilt werden in Form des Konzeptes. Eine weiter gehende Verpflichtung auch finanzieller Art des Kantons ist damit aber nicht gegeben. Die Gemeinden sind informiert darüber, was sie machen könnten, doch keineswegs verpflichtet, Schulsozialarbeit einzuführen. 20 Gemeinden arbeiten schon daran. Das ist schön und gut - aber der Rest? Der Kanton besteht neuerdings aus 88 Gemeinden. Ein weiteres Fragezeichen ist hinter die Idee zu setzen, dass jede Gemeinde im besten Fall im regionalen Verbund mit anderen ein Angebot machen kann oder eben auch nicht. Die Chance, in den Genuss dieser Leistungen zu kommen, ist so nicht im ganzen Kanton gegeben. Wenn die Regierung die Vorstellung hat, dass überall dort, wo die Gemeinden nicht vorwärtsmachen, die Bürgerschaft sich für dieses Anliegen an den Bürgerversammlungen einsetzen soll, zeigt sie, dass sie einer schnellen, flächendeckenden Umsetzung keine Priorität einräumt. Ein schriftliches Konzept ist noch keine Praxis. Der Blick in die übrige Schweiz zeigt, dass Kantone wie Basel, Bern, Zürich oder Luzern je unterschiedliche Modelle der Schulsozialarbeit aufgegleist haben. Die Tendenz dabei geht in Richtung kantonale Regelungen. Diese Motion will ebenfalls eine solche. Erstaunlich scheint mir beim Vorgehen der Regierung auch Folgendes: Es werden hier umfangreiche Konzepte entworfen, um ein neues Instrument im Schulbereich zu etablieren. Doch jene, die damit beglückt werden - das dürften die Lehrpersonen aller Stufen sein -, wissen noch wenig bis nichts von diesen Plänen. Sie sind es aber, die letztlich die Zusammenarbeit mit den Schulsozialarbeitenden garantieren müssen und unbedingt über die Möglichkeiten informiert sein müssen, welche eine Fachperson der Schulsozialarbeit im Schulhaus zur Bewältigung jener Probleme, die eben nichtschulischer Natur sind, bietet. Es ist zu befürchten, dass diese Informationsarbeit - wenn überhaupt - noch nicht in ausreichendem Mass geleistet worden ist. Die Argumentation der Regierung erscheint doch sehr formalistisch. Aus Gründen der Aufgabenteilung sei das Vorgehen so zwingend. Dies kann vom Kantonsrat neu definiert werden. Dazu ist dieses Gremium da. Vielleicht noch ein Wort zur Motivation der SP-Fraktion, dieses Thema auf die Traktandenliste zu setzen. Die Gewaltvorfälle in Zürich und an anderen Orten haben gezeigt, wie sinnvoll und wichtig Schulsozialarbeit ist, um Missstände aufzudecken. Es ist aus unserer Sicht unbedingt notwendig, schon früher als erst im Jugendalter den Schulen Unterstützung zur Behandlung von jenen Kindern zu geben, die durch Aggression auffallen. Es ist nicht so, dass Auffälligkeit erst im Jugendalter auftritt. Meist ist es dann einfach unerträglich geworden. Alle Erkenntnisse der Psychologie weisen darauf hin, dass Früherkennung und Massnahmen im Kindesalter das wirksamste Mittel sind, um späteren Gewaltexzessen vorzubeugen. Dies sage ich im Hinblick in Richtung SVP-Fraktion, die andere Massnahmen haben will, um gegen Gewalt vorzugehen. Um schnelle Hilfe im ganzen Kanton anbieten zu können, braucht es verbindliche Auflagen zur Einführung der schulischen Sozialarbeit, und es braucht diese Motion. | Session des Kantonsrates vom 19. und 20. Februar 2007 |
19.2.2007 | Wortmeldung | Auf die Motion ist nicht einzutreten. Die Gewalt rund um Schulhäuser nimmt immer bedrohlichere Formen an. Nicht nur in Problemquartieren der grossen Städte mit sehr hohem Ausländeranteil, nein, auch Dörfer wie Rhäzüns oder Felsberg sind davon betroffen. Nun glaubt die Motionärin, dass die Probleme mit gesetzlichen Grundlagen zu einer obligatorischen Verankerung von Schulsozialarbeit gelöst werden können. Dass dieses verlangte Obligatorium nicht gratis zu haben ist, ist sicher allen in diesem Saal klar. Nun ist es aber heute schon so, dass unser Land je Schülerin bzw. Schüler mehr Geld ausgibt als fast alle Länder dieser Erde. Ein grosser Anteil dieser Investitionen verschwindet in sogenannten sonderpädagogischen Massnahmen. Gemeint sind damit Massnahmen wie Spezialabklärungen, Stützkurse, Einführungsklassen, Therapien, Sonderbetreuung für Schwererziehbare, heilpädagogische Angebote usw. Im Kanton Zürich, so habe ich der Presse entnommen, fliesst rund ein Drittel aller Aufwendungen der Volksschule in die genannten Massnahmen. Ein grosser Teil dieser Aufwendungen hat allerdings nichts mehr mit der klassischen Aufgabe der Schule, nämlich der Vermittlung von Wissen und Kenntnissen, zu tun. Die Gesellschaft ist aber trotz all diesen Bemühungen nicht besser geworden. Die Befürworter der Motion glauben, sich damit selber darüber hinwegtäuschen zu können, dass die von Funktionären ihrer Autorität und ihrer Verantwortung zunehmend behaupten, Familien immer weniger Hort sein können für das Heranwachsen von Jugendlichen in geborgener, an Wertvorstellung orientierter Erziehung. Im Buch «Lob der Disziplin» von Bernhard Bueb kann nachgelesen werden, dass wegen dem Erziehungsnotstand ein Bildungsnotstand die Folge ist. Bernhard Bueb fordert in seinem Werk, das von allen Eltern, Lehrern und Behörden wieder mehr Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnungssinn als Fundament der Erziehung zu setzen sind. Disziplin ist für Jugendliche das Tor zum Glück der Anstrengung und des Gelingens. Die Jugendlichen müssen wieder Autorität und Gehorsam anerkennen. Es ist bekannt, dass die Lehrerschaft lautstark über die zusätzlichen Erziehungsaufgaben jammert. Wer aber Disziplin einfordert, muss auch selber Ordnungssinn, Pünktlichkeit und Leistungsbereitschaft aufbringen. Der Autor fragt sich, ob nicht hier das eigentliche Problem liegt. Ich bin überzeugt, dass wenn wir wieder auf diese einfachen Mittel zurückgreifen, der Gewalt rund um die Schule entgegenwirken und auf die Forderung von Schulsozialarbeit verzichten können. | Session des Kantonsrates vom 19. und 20. Februar 2007 |
19.2.2007 | Wortmeldung | (im Namen der GRÜ-Fraktion) legt ihre Interessen als Kursleiterin zu Themen wie Eingreifen bei Gewaltsituationen, Zivilcourage, aber auch für gewaltfreie Konfliktlösungsmodelle und zu anderen Friedensförderungsangeboten offen. Auf die Motion ist einzutreten. Nach jahrelanger Parlamentstätigkeit - vor allem auf städtischer Ebene - weiss ich, dass die Umsetzung von Ideen, auch von den guten, immer lange dauert. Prävention von Kindern und Jugendlichen generell ist ein Schlagwort geworden, das beinahe alle Parteien auf ihrem Programm haben. Aber eben, der gute Wille nützt nichts, wenn schon erprobte Projekte wie Schulsozialarbeit nur sämchenweise am Kantonshimmel auftreten. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wieso schon auf höchster politischer Ebene von Bundesrat Blocher die Polizei auf den Schulhöfen gefordert wird. Das kostet auch viel Geld. Aber das hinkt hintennach. Die Massnahmen zur Verhinderung und zum frühzeitigen Auffangen von Gewalt werden nicht genutzt. Als Expertin auf diesem Gebiet weiss ich, dass Eingreifen immer möglichst früh sinnvoll ist in jeglicher Situation. Dies gilt für eine Gewaltdynamik, insgesamt aber eben auch für die Massnahmen, die zur Gewaltverhinderung oder Gewaltverminderung führen. Beleuchten wir mal die Kosten. An einer Informationsveranstaltung von Thomas Kessler, Integrationsbeauftragter des Kantons Basel-Stadt, rechnete er dem zahlreich erschienenen Publikum vor, dass sich präventive Investitionen um einen Faktor 7 lohnen. Ich rechne Ihnen an einem Beispiel, und das ist für die SVP-Fraktion vielleicht noch interessant, von einer Platzierung in Jugendheimen mal vor, was denn ein Jugendlicher, der dort platziert wird, kostet. Im Durchschnitt zahlen wir je Tag Fr. 350.-. Wenn ein solcher Jugendlicher ein Jahr im Jugendheim ist, kostet es Fr. 126'000.-. Wenn er eine ganze Lehre abschliesst, kostet ein Jugendlicher eine halbe Million Franken. Dieser Jugendliche hat dann eine Ausbildung, das ist heute sehr viel wert, das wissen wir alle. Ob er aber danach ein geregeltes Leben führen kann, ist immer noch nicht sicher. Ich kenne solche, die sind nach dem Abschluss der Lehre Konsumentinnen oder Konsumenten von harten Drogen geworden. Dies soll eigentlich auch rechnerisch aufzeigen, dass eben Prävention und vor allem jetzt in diesem Fall Schulsozialarbeit viel greifender, aber auch kostengünstiger ist. Die Stadt St.Gallen und andere Gemeinden in unserem Kanton haben die Schulsozialarbeit an der Oberstufe schon eingeführt und sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir sind nicht so mutig, aber wir können jetzt Ja sagen für eine Schulsozialarbeit in unserem Kanton. | Session des Kantonsrates vom 19. und 20. Februar 2007 |
19.2.2007 | Wortmeldung | Dem Antrag der Regierung ist zuzustimmen. Wenn ich diesem Votum genau zugehört habe, so kommt der Verdacht auf, dass Sie glauben, dass die Regierung sich gegen Schulsozialarbeit ausspricht. Das ist nicht der Fall. Für die Regierung ist unbestritten: Schulsozialarbeit ist heute leider ein Muss. Aber wir brauchen kein neues Gesetz, sondern wir setzen auf die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen, d.h. mit dem Sozialhilfegesetz wurde klar entschieden, dass das in den Aufgabenbereich der Gemeinden gehört und dass das ein Teil einer ganzheitlichen Jugendhilfe ist. Das ist auch der Grund, warum das Departement des Innern und das Gesundheitsdepartement zusammen Grundlagen erarbeitet haben. Diese Grundlagen sind weit fortgeschritten, mit denen man den Gemeinden ein Beispiel geben kann, wie diese Schulsozialarbeit umgesetzt werden soll. Wir sind viel weiter und wir wollen unsere Energie auch nicht dafür verwenden, um ein Gesetz zu machen, das eigentlich überflüssig ist, weil es ganz klar in den Kompetenzbereich der Gemeinden gehört. Uns ist es aber auch ein Anliegen, dass wir nicht 88 verschiedene Muster haben, wie diese Schulsozialarbeit aussieht. Das ist der Grund, warum die beiden Departemente - übrigens zusammen mit dem Verband der st.gallischen Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten VSGP und dem Schulträgerverband - diese Frage bearbeitet haben. In den nächsten Wochen werden wir zu diesem Thema die Gemeinden auch ausstatten können mit den Grundlagen. Die VSGP ist zusammen mit dem Departement des Innern dabei, das Grundangebot in der Sozialberatung zu definieren. Weil wir eben sehen, dass die Interessen und Bedürfnislagen sich auch verändern, dass wir Steuerungsinstrumente erhalten, um diese Beratung auch situationsgerecht zu definieren. Schulsozialarbeit ist ein Muss. Die Grundlagen dafür sind gesetzt. Es braucht dafür kein neues Gesetz. | Session des Kantonsrates vom 19. und 20. Februar 2007 |