Förderpreise der St.Gallischen Kulturstiftung
Im Frühjahr 2024 erhalten drei Kulturschaffende einen Förderpreis der St.Gallischen Kulturstiftung in der Sparte Literatur. Der erste Förderpreis geht an Bettina Scheiflinger aus Wil, der zweite an Maya Olah aus Zürich und der dritte an Sarah Elena Müller aus Bern. Die Preisverleihung findet am 30. Mai 2024 in St.Gallen statt und ist öffentlich.
Jedes Jahr verleiht die St.Gallische Kulturstiftung Förderpreise an Kulturschaffende aus und mit Bezug zum Kanton St.Gallen und versteht diese als Ansporn für professionell tätige Kulturschaffende mit einem hohen Entwicklungspotenzial. Die Auswahl der Förderpreistragenden erfolgt jeweils aus einer bestimmten Sparte: Im nächsten Jahr werden die Förderpreise in der Sparte Literatur vergeben.
Förderpreis an Bettina Scheiflinger
Geboren und aufgewachsen ist Bettina Scheiflinger (*1984) in Wil. Auf das Lehramtstudium und einige Jahre Unterrichtstätigkeit folgte 2017 der Umzug nach Wien, um am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst zu studieren. Sie schreibt Theaterstücke und Kurzhörgeschichten, veröffentlicht Prosa in Literaturzeitschriften und Anthologien. Eines ihrer Hörstücke wurde 2020 beim sonohr Radio- und Podcastfestival nominiert. Ihr Debütroman «Erbgut» ist im August 2022 bei Kremayr&Scheriau erschienen.
Die Schriftstellerin erhält einen der Förderpreise, der mit 10'000 Franken dotiert ist. Sie beeindruckt damit, was und wie sie erzählt. Ihr Debütroman zeichnet sich durch aussergewöhnliche Reife, durch Mut und dadurch aus, dass sie durch die Rahmenhandlung Themen anspricht, die sich so oder ähnlich in der Geschichte oder in Familienbiografien immer wieder wiederholen. Wir würden gut daran tun, so scheint Bettina Scheiflinger uns zu raten, unsere eigene Geschichte und Vergangenheit aufzuschlüsseln, um sie zu verstehen und Lehren daraus zu ziehen.
Vielseitige Autorin Maya Olah
Ein weiterer Förderpreis geht an die Autorin Maya Olah. Ausgezeichnet wird sie für ihre präzise und unaufgeregte Sprache, ihre engagierte Auseinandersetzung sowohl mit den Problemen unserer Zeit als auch mit dem Unterbewussten. Ihre Texte lassen einen verwandelt zurück.
Maya Olah denkt Literatur performativ und arbeitet häufig Disziplinen übergreifend – so auch in ihrem neusten Projekt «ein Totentanz», das Performance, Sound und Literatur verwebt. Das Stück, das einen mittelalterlichen Text neu interpretiert, erschafft ein Memento mori. Es wurde im Alten Krematorium auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld uraufgeführt und geht den Fragen nach, wie wir mit den Toten und unseren tiefsten Ängsten kommunizieren. Parallel ist beim Vexer Verlag die Publikation «Bailando Bailando. Ein Totentanz» entstanden, für das Olah ein Team von acht Autor:innen, einer Illustratorin und einem Fotografen zusammengebracht hat. Maya Olah ist in St.Gallen aufgewachsen. Sie lebt und arbeitet in Zürich.
Sarah Elena Müller schafft ein eindrückliches Roman-Debut
Die Autorin Sarah Elena Müller ist in Amden oben aufgewachsen, den Walensee unten im Blick. Seit ihrem Abschluss in Fine Arts an der Hochschule der Künste in Bern, ihrem aktuellen Wohnort, arbeitet sie spartenübergreifend in Literatur, Musik, Virtual Reality, Hörspiel und Theater. Ihr Interesse gilt allen Formen von Text und seiner Musikalität. Auch als Literatur-Kolumnistin und Mundart-Texterin bespielt sie verschiedene Schienen.
Ihre Haupt-Schiene scheint ihr Roman «Bild ohne Mädchen» zu sein, der im Februar 2023 im Limmat Verlag erschienen ist. Er spielt in einem Schweizer Bergdorf Anfang der 90er-Jahre und beschäftigt sich mit Kindesmissbrauch, der Hilflosigkeit des Opfers und dem Wegschauen aller beteiligten Erwachsenen. Ein brisantes Buch, dessen Thema gesellschaftlich tabuisiert ist.
Dieses Schweizer Roman-Debut erhält sogleich nationale Aufmerksamkeit in den Besprechungen der relevanten Literatur-Medien: Die Autorin kann mit und in Sprache denken. Sie beharrt auf dem künstlerischen Zugang zum Inhalt. Sie erklärt nichts, sondern stellt die Dinge dar, wie sie sind. Ihre Sprache trägt alles und schafft Bilder wie Fotografien. Beim Lesen werden wir weder Voyeure noch Moralisten. Damit gelingt ihr ein ungeheurer Effekt. Sie hat eine Jelinek’sche Kraft in ihrer radikalen Präsenz sowie eine Art tiefgründigen Humanismus. Ein Debut, das nachhaltig einfährt, berührt und auf die Nachfolge wartet. Dazu zeichnet die St.Gallische Kulturstiftung die bereits arrivierte Jungautorin aus.