Deutlich mehr Polizeieinsätze im häuslichen Bereich
Die Interventionsstatistik der Koordinationsstelle Häusliche Gewalt zeigt: Die erfassten Fälle von Interventionen im häuslichen Bereich haben 2022 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zugenommen. Insgesamt erfolgten über 200 Interventionen mehr als im Vorjahr.
Im Kanton St.Gallen stiegen die Interventionen im häuslichen Bereich im Vergleich zum Vorjahr um rund 14 Prozent an. Die Einsätze aufgrund häuslicher Gewalt haben sogar um 20 Prozent zugenommen. Von Fällen häuslicher Gewalt wird dann gesprochen, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder partnerschaftlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen.
Die Kantonspolizei und die Stadtpolizei St.Gallen mussten im vergangenen Jahr insgesamt 1'655 Mal im häuslichen Bereich intervenieren.
In 679 Situationen waren eines oder mehrere Kinder anwesend. Von insgesamt 1'100 Kindern ist ein unbestimmter Teil mehrmals in Polizeieinsätze involviert gewesen.
Im vergangenen Jahr wurden mit 101 Fällen auch mehr polizeiliche Wegweisungen (plus 30 Prozent) ausgesprochen. Gleich sieht es aus bei den polizeilichen Anordnungen wie Kontakt-, Annäherungs- und Rayonverbote. Hier stieg die Fallzahl auf 119 (plus 28 Prozent). Im Vergleich zu 2020 fällt die Zunahme der polizeilichen Massnahmen noch deutlicher aus.
Hohe Nachfrage nach Beratungsstelle Häusliche Gewalt
Die Beratungsstelle Häusliche Gewalt für gewaltausübende Personen verzeichnet konstant hohe Zahlen. 2022 wurden 153 Personen an die Beratungsstelle vermittelt, wovon 66 Personen die Beratung in Anspruch nahmen. Die Vollzugstelle Electronic Monitoring ist unter anderem für die elektronische Überwachung von Annäherungs-, Kontakt- und Rayonverboten zuständig. Dieses Instrument ist bei vier Personen nach deren Entlassung aus der Untersuchungshaft bei laufenden Verfahren im Kontext von häuslicher Gewalt zum Einsatz gekommen.
Frauenhaus und Opferhilfe ausgelastet
Die Opferhilfe SG-AR-AI unterstützt Gewaltbetroffene nach häuslicher Gewalt. Im Jahr 2022 nahmen 635 gewaltbetroffene Personen die Unterstützung der Opferhilfe in Anspruch. Bei 64 Personen erfolgte eine Beratung nach Wegweisung oder einer weiteren polizeilichen Anordnung der gewaltausübenden Person. Diese Zahl ist mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Die Beratungen sind mit hohem Aufwand verbunden und erfordern eine grosse Flexibilität. Dadurch ist die Belastung hoch. (Hinweis: Dieser Abschnitt wurde am 25.04.2023 angepasst)
Auch das Frauenhaus ist stark ausgelastet. Es verzeichnete im vergangenen Jahr 96 Eintritte, im Vergleich zum Vorjahr sind das fünf Personen mehr. Markant angestiegen ist die Zahl der Frauen und Kinder, die aufgrund einer Vollbelegung an andere Frauenhäuser vermittelt werden mussten. Im Jahr 2022 waren dies 51 Frauen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr, und 30 Kinder. Die anhaltend hohe Zahl schutzsuchender Frauen und ihrer Kinder stellt für die Mitarbeitenden des Frauenhauses eine deutliche Belastung dar.
Über die Gründe für den Anstieg der Fallzahlen sowie die erhöhte Nachfrage bei den Beratungsangeboten kann zurzeit nur spekuliert werden. Während der Corona-Pandemie wurde das Thema häusliche Gewalt vermehrt thematisiert und verstärkt auf Hilfsangebote aufmerksam gemacht. Möglicherweise erhöhte dies die Bekanntheit der Hilfsangebote in der Bevölkerung, wodurch sich Betroffene häufiger an die Polizei oder andere Anlaufstellen wandten.