8000 Jahre Siedlungsgeschichte dokumentiert
Unter der überhängenden Felswand des Abri Unterkobel sind in Erdschichten 8000 Jahre Siedlungsgeschichte des Alpenrheintals überliefert. Diese wichtige Fundstelle wurde von 2011 bis 2012 durch die Kantonsarchäologie St.Gallen ausgegraben und danach von 18 Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen ausgewertet. Eine Fachpublikation und eine Broschüre berichten von dieser Arbeit. Am 14. Mai findet die öffentliche Vernissage mit Regierungsrätin Laura Bucher und Gemeindepräsident Rolf Huber statt.
Überhängende Felswände, sogenannte Abris, sind für die Archäologie deshalb so wertvoll, weil sich daraus die Siedlungsgeschichte einer ganzen Region rekonstruieren lässt. Der Abri Unterkobel liegt westlich von Oberriet neben einem ehemaligen Steinbruch. Er wurde im Jahr 2011 zufällig von Spallo Kolb aus Widnau entdeckt und der Kantonsarchäologie gemeldet. Das Gelände diente in den letzten Jahren als Deponie für Bauschutt und wird renaturiert.
Interdisziplinäre Auswertung
Die Kantonsarchäologie grub den zentralen Bereich der Fundstelle in den Jahren 2011 und 2012 aus. Aufgrund der rund 4.5 Meter hohen und 8000 Jahre umfassenden Fundschichten und der guten Erhaltung der Funde hat sie mit der Universität Basel sowie weiteren Forschenden und Institutionen im In- und Ausland ein interdisziplinäres Auswertungsprojekt lanciert. Dank der intensiven Zusammenarbeit von 18 Forschenden war es möglich, die Nutzung des Abris durch den Menschen und die Veränderungen der Umwelt durch die Jahrtausende umfassend zu rekonstruieren. Die Forschungsresultate liegen nun in einer Monografie und in einer Broschüre vor.
Nutzung von der Mittelsteinzeit bis zu den Römern
Die detaillierte Forschung belegt, dass in der Mittelsteinzeit (Datierungen von 8300 bis 5400 v.Chr.) und in der älteren Jungsteinzeit (5200 bis 4300 v.Chr.) der Abri vor allem als Jagdhalt genutzt wurde. Gejagt wurden Hirsche, Wildschweine und verschiedene Pelztiere, wie zum Beispiel der Luchs. Steinwerkzeuge wurden teilweise mitgebracht oder vor Ort hergestellt und nachgeschärft. Die Gebrauchsspuren weisen darauf hin, dass sie vor allem für die Bearbeitung von Holz und Pflanzenfasern verwendet wurden. Die Pfeileinsätze zeigen auch Absplitterungen, die vom Aufprall der Pfeile auf das Jagdwild stammen. In der jüngeren Jungsteinzeit (4200 bis 3500 v.Chr.) nutzten die Menschen den Abri vor allem als saisonalen Viehunterstand. Darauf deuten grosse Pakete von verbranntem und unverbranntem Tierdung. Dieses in der Jungsteinzeit des Mittelmeerraums verbreitete Phänomen ist gut bekannt. Dank der Forschungen der Kantonsarchäologie konnte es erstmals für das Gebiet nördlich der Alpen nachgewiesen werden. Auch die bronzezeitlichen Schichten (2200 bis 1000 v.Chr.) zeigen Spuren intensiver Viehhaltung. Allerdings sind hier viel mehr Keramikfunde und Schlachtabfälle vorhanden, weshalb von einer zunehmenden häuslichen Nutzung des Abris ausgegangen werden kann. Gegen das Ende der Bronzezeit wurde im Abri wahrscheinlich ein Einbau errichtet, der auf eine dauerhaftere Besiedlung hinweist. In der Eisenzeit und der römischen Epoche (400 v.Chr. bis 3. Jahrhundert n.Chr.) wurde der Abri nur noch sehr sporadisch benutzt.
Die Ausgrabungs- und Auswertungsarbeiten sowie der Druck der Publikationen wurden ermöglicht durch folgende Institutionen: Lotteriefonds des Kantons St.Gallen, Bundesamt für Kultur, Schweizerischer Nationalfonds, Rheintaler Kulturstiftung.
Einladung zur öffentlichen Vernissage
Die für die Kantonsgeschichte sehr wichtige Buchpublikation wird im Rahmen einer öffentlichen Vernissage vorgestellt, zu der die Bevölkerung herzlich eingeladen ist. Diese findet statt am:
Samstag, 14. Mai 2022, 14.00 Uhr, Deponie Robert König AG, Unterkobel bei Oberriet
Die Grussworte überbringen Regierungsrätin Laura Bucher und Gemeindepräsident Rolf Huber. Zudem wird der Grabungs- und Auswertungsleiter Fabio Wegmüller die lange Geschichte der Oberrieter Fundstelle erklären. Abgerundet wird der Anlass mit archäologischen Attraktionen vor Ort, wie zum Beispiel dem Archäomobil Ostschweiz, das auch Originalfunde vom Unterkobel zeigt. Gutes Schuhwerk und der Witterung angepasste Kleidung werden empfohlen.