St.Gallen: Nachtrag zur Medienkonferenz «Migrationslage Ost»
Seit dem Sommer gelangen vermehrt illegal einreisende afghanische Flüchtlinge per Zug aus Österreich nach Buchs. Die Rückführung dieser Personen stellt die Behörden vor Herausforderungen. Der St.Galler Regierungsrat Fredy Fässler, Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartements, hat gemeinsam mit Fachpersonen des Migrationsamtes, der Kantonspolizei St.Gallen, der Regionalebene Zoll Ost und des Staatssekretariats für Migration (SEM) über die momentane Situation und die zu erwartende Entwicklung informiert.
Zu Beginn der Medienkonferenz erklärte Markus Kobler, Chef Regionalebene Zoll Ost, die aktuelle Migrationslage. Seit Sommer gelangen hauptsächlich afghanische Migrant/-innen mittels internationaler Züge aus Wien und Bukarest an den Grenzbahnhof in Buchs. Bei den Migrant/-innen handelt es sich mehrheitlich um junge Männer und Jugendliche, welche sich bereits seit mehreren Wochen über den Balkan auf dem Weg nach Zentral- und Westeuropa befinden und meist Österreich als Aufenthaltsort vermerkt haben. Die Regionalebene Zoll Ost führt die erste Sicherheitsüberprüfung und Identitätsabklärung mit fahndungspolizeilichen Systemen durch. Erwachsene Migrant/-innen ohne Asylbegehren werden mit einer siebentägigen Frist aus der Schweiz weggewiesen. Erwachsene Asylsuchende und Minderjährige unter 14 Jahren gehen direkt in das Bundesasylzentrum nach Altstätten. Ausgeschriebene Personen und Minderjährige über 14 Jahre werden der Kantonspolizei St.Gallen übergeben.
Dr. Bruno Zanga, Kommandant der Kantonspolizei St.Gallen, informierte die Anwesenden über die Herausforderung, diese erforderlichen Arbeiten auf dem Bahnhof Buchs durchzuführen. Dort ist der Platz bei grösseren Zahlen von Migrant/-innen stark eingeschränkt. Aufgrund dieser Lage können die notwendigen Arbeiten für die Rückübernahmen nicht an einem Tag erledigt werden. Daher müssen die illegal eingereisten Migrant/-innen zurzeit in einer Unterkunft in der Stadt Wil beherbergt werden. Problematisch daran ist, dass die in Wil untergebrachten Personen am Folgetag oft nicht mehr auffindbar sind. Inhaftieren kann man die Personen aufgrund der bestehenden Rechtsgrundlage nicht. Künftig sollen Arbeiten gemäss Zanga deshalb in ein neues Bearbeitungszentrum im Ochsensand in Buchs verlegt und innerhalb von 24 Stunden erledigt werden. Nach der Sicherheitsüberprüfung werden die Migrant/-innen künftig dort triagiert in Personen, die ein Asylgesuch einreichen wollen und solche, die darauf verzichten. «Bei vorhandenem Asylwunsch werden die Personen dem Staatssekretariat für Migration übergeben und ins Asylverfahren des Bundes aufgenommen. Im negativen Fall erfolgt die Weiterbearbeitung im Bearbeitungszentrum mit dem Ziel einer zeitnahen Rückkehr dieser Personen nach Österreich beziehungsweise in das für die Behandlung des Asylgesuchs zuständige Land» erklärte Dr. Bruno Zanga.
Jürg Eberle, Leiter Migrationsamt, erklärte anschliessend das rechtsstaatliche Verfahren zur Schaffung der Voraussetzungen für die Rückführung nach dem Dublin Assoziierungsabkommens. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn eine illegal eingereiste Person schon in einem Land, welches beim Dublin-Abkommen dabei ist, ein Asylgesuch eingereicht hat und entsprechend in Eurodac registriert wurde. Ist dies der Fall, spricht man von einem «Eurodac Treffer». Ein solcher Treffer verlangt eine Gesuchstellung zur Rückübernahme an das jeweilige Land. Ist als Aufenthaltsort Österreich vermerkt, kann die Gesuchprüfung durch die österreichischen Behörden bis zu acht Wochen andauern. Minderjährigen Personen wird für dieses Verfahren eine Vertrauensperson zur Verfügung gestellt.
Simon Bless, verantwortlicher Einsatzleiter der Kantonspolizei St.Gallen, koordiniert die verschiedenen Einsatzorganisationen und hat sie in Einsatzabschnitte unterteilt. Diese umfassen die Arbeit der Kantonspolizei, des Zoll Osts, des Migrationsamtes sowie des Gesundheitsdepartementes und des Amts für Militär und Zivilschutz. Letztere zwei Behörden sichern unter anderem die medizinische Betreuung, Logistik, Sicherheitsgewährleistung und Unterbringung der Migrant/-innen.
Daniel Bach, Chef Stabsbereich Information und Kommunikation Staatssekretariat für Migration, gab anschliessend einen Ausblick zur Migrationsentwicklung innerhalb der Ostschweiz für die nächsten Monate. Das Staatssekretariat gehe davon aus, dass der Weiterwanderungs-/Transitdruck der Afghanen, welche aus Österreich in die Schweiz kommen, noch ein paar Wochen andauern wird. Danach werde mit einem Rückgang im Winter gerechnet. Anschliessend komme es im April/Mai 2022 wahrscheinlich erneut zu einer Zunahme der Weiterwanderung aus Österreich. Im Frühjahr und Sommer 2022 rechnet das Staatssekretariat mit Weiterwanderungszahlen die ähnlich hoch oder höher sind als im Sommer 2021. Im Herbst 2022 sollen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr eher tiefer sein.
Die Stabilisierung im Winter und der Wiederanstieg im Frühjahr entsprechen dem normalen jahreszeitlichen Verlauf der Asylgesuche. Afghanistan dürfte 2022 das wichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden in der Schweiz bleiben.
Fredy Fässler, Regierungsrat und Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St.Gallen, betonte zum Schluss der Konferenz den grossen Aufwand für alle beteiligten Behörden. Er führte aus: «Die Kantonspolizei und das Migrationsamt sind schon jetzt gezwungen die vorhandenen Kräfte zusammenzuziehen. Das führt dazu, dass bei der Kantonspolizei die im Patrouillendienst eingesetzten Kräfte reduziert werden mussten. Beim Migrationsamt werden notgedrungen Arbeiten im Bereich der üblichen Amtsgeschäfte liegen bleiben». Im neuen Bearbeitungszentrum werden alle Kräfte, die es für die Bearbeitung der migrationsrechtlichen Verfahren braucht, zusammengefasst. Ziel soll eine möglichst effiziente Zusammenarbeit sein. Sollte sich die Migrationsbewegung weiter verstärken, sei der Kanton St.Gallen auf die Unterstützung der Bundesbehörden und der Kantone angewiesen. Zudem gab Fredy Fässler bekannt, dass der Bund mit Österreich Gespräche über eine Revision des Rückübernahmeabkommens führt. Das Ziel der Schweiz ist es, das heutige Verfahren zu beschleunigen. Die aktuelle Lage ist gemäss ihm kein Problem des Kantons St.Gallen, sondern der gesamten Schweiz.