Massiv mehr Verstösse gegen Jugendschutz
Im vergangenen Jahr sind in 469 Betrieben im Kanton St.Gallen Alkohol- und Ta-baktestkäufe durchgeführt worden. Die durchschnittliche Verstossquote ist im Vergleich zum Vorjahr über das Dreifache angestiegen. Die Ergebnisse lassen einen Zusammenhang mit der Pandemie vermuten.
Durchgeführt werden die Testkäufe durch das Blaue Kreuz St.Gallen-Appenzell und die Stiftung Suchthilfe. Eine erwachsene Begleitperson geht zusammen mit Jugendlichen unter 16 Jahren in Tankstellen-Shops, Restaurants, Detailhandel-Geschäfte und an Events. Dabei gelten klare Regeln: Die Jugendlichen dürfen nicht lügen, wenn sie nach dem Alter gefragt werden, und sie sind verpflichtet, einen Ausweis zeigen, wenn dieser verlangt wird. Zudem dürfen sich die Testkäuferinnen nicht schminken, um älter auszusehen.
Corona als möglicher Einflussfaktor
Im Jahr 2020 haben die Verstösse gegen den Jugendschutz im Vergleich zum Vorjahr markant zugenommen. Beim Alkoholverkauf stieg die Verstossquote um das Dreifache (von 12 Prozent 2019 auf 40 Prozent 2020) und beim Tabakverkauf sogar um über das Vierfache (von 6 Prozent 2019 auf 27 Prozent 2020). Eine Zunahme ist in der ganzen Schweiz festzustellen (Verstossquote national war 37 Prozent).
Diese Ergebnisse lassen aufhorchen. Die Fachleute beim Amt für Gesundheitsvorsorge des Kantons St.Gallen sehen folgende Gründe, welche für die Häufung der Verstösse in Frage kommen:
- In Gemeinden, die regelmässig Testkäufe durchführen, sind die Betriebe besser sensibilisiert und die Verstösse fallen geringer aus. Im Jahr 2020 gab es deutlich mehr Gemeinden, die zum ersten Mal Testkäufe durchgeführt haben. Mit einem gewissen Anstieg der Verstossquote musste also gerechnet werden, aber nicht in dieser Grössenordnung.
- Corona war für viele Verkaufsstellen eine schwere Belastung und eine grosse Herausforderung. Es ist denkbar, dass dies den Jugendschutz in den Hintergrund drängte.
- Das Tragen einer Maske der Testkaufpersonen hat dem Verkaufspersonal die richtige Einschätzung des Alters möglicherweise zusätzlich erschwert.
- Die korrekte Berechnung des Alters bei der Ausweiskontrolle erfordert Konzentration. Stresssituationen führen dabei häufiger zu Rechenfehlern.
Eine positive Entwicklung zeigte sich einzig bei den Hinweisschildern, welche auf das Verkaufsverbot für Alkohol und Tabak an Jugendliche aufmerksam machen. Während 2019 nur 45 Prozent der Verkaufsstellen entsprechende Hinweisschilder sichtbar anbrachten, waren es vergangenes Jahr 62 Prozent.
Insgesamt sind im letzten Jahr 469 Betriebe in 40 Gemeinden auf den Verkauf von Alkohol- und Tabakprodukten an Minderjährige getestet worden (2019 waren es 465 Betriebe in 29 Gemeinden). Getestet wurden Gastronomiebetriebe (62%), Detailhandel (26%) sowie Tankstellen und Kioske (12%).
Für die fehlbaren Betriebe haben die Testkäufe keine strafrechtlichen Konsequenzen. Einerseits fehlt dazu die gesetzliche Grundlage und andererseits steht nicht die Bestrafung im Fokus, sondern die Sensibilisierung des Verkaufspersonals für das Thema Jugendschutz. Im Kanton St.Gallen sind die Gemeinden für die Umsetzung des Jugendschutzes zuständig. Der Kanton unterstützt die Gemeinden bei dieser Aufgabe und bietet ihnen die kostenlose Durchführung von Testkäufen an.
Neue Herausforderungen für den Jugendschutz
Die Pandemie befeuert den Onlinehandel. Dieser macht auch beim Versandhandel von Alkohol- und Tabakprodukten nicht Halt. Die Bezugsquellen für Jugendliche werden entsprechend vielfältiger. Betriebe, die bis anhin keinen Online-Shop hatten, verkaufen und liefern neu ihre Produkte zunehmend über das Internet. Auch hier gelten die gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen. 2021 fanden bereits erste Pilotversuche für Online-Testkäufe im Kanton St.Gallen statt. Ebenfalls bietet das Amt für Gesundheitsvorsorge 2021 erstmals kostenlose Online-Jugendschutz-Schulungen an. Sollte sich diese Praxis bewähren, werden diese in regelmässigen Abständen weitergeführt.